# taz.de -- Trojaner im Norden: Sechs Mal Spionage
       
       > Auch in Norddeutschland haben Ermittlungsbehörden Spionagesoftware
       > eingesetzt. Gesetzliche Auflagen wollen sie dabei eingehalten haben.
       > Niedersachsen wechselt trotzdem den Anbieter.
       
 (IMG) Bild: Namensgeber für die umstrittene Schadsoftware: das Trojanische Pferd.
       
       HAMBURG taz | Mindestens sechs Mal haben Ermittlungsbehörden in
       Norddeutschland in den letzten fünf Jahren Spionagesoftware eingesetzt, um
       Verdächtige zu überwachen. Mit so genannten Trojanerprogrammen sollten
       mindestens die Internet-Telefonie und Chat-Anwendungen der Betroffenen
       überwacht werden. Die Verantwortlichen betonen bisher, dass darüber hinaus
       keine Informationen durch die verschiedenen staatlichen
       Schadsoftware-Programme erhoben wurden.
       
       Die Ermittlungsbehörden im Norden müssen sich erklären, weil seit dem
       Wochenende bekannt ist, dass staatliche Behörden Trojaner einsetzen, die
       wesentlich mehr können: Etwa jeden Tastendruck und jede Veränderung des
       Bildschirms aufzuzeichnen, den Computer zu durchsuchen oder Dateien zu
       ändern, löschen oder neu anzulegen. All das ist rechtlich in Deutschland
       laut einem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgericht allerdings nicht
       erlaubt. Die eingesetzte Überwachungssoftware darf dazu nicht in der Lage
       sein.
       
       Die Hacker-Vereinigung Chaos Computer Club (CCC) hatte Festplatten mit der
       entsprechenden Software zugeschickt bekommen und analysiert. Ergebnis: Die
       dort gefundenen Spuren deuten darauf hin, dass Regeln gebrochen werden.
       Bayrische Behörden haben erklärt, die analysierte Software eingesetzt zu
       haben. In der aktuellen Debatte wird die Software Bundestrojaner,
       Staatstrojaner oder Bayerntrojaner genannt.
       
       Bisher hat das Landeskriminalamt (LKA) Schleswig-Holstein eingeräumt, in
       drei Fällen von schwerer Kriminalität in den letzten fünf Jahre solche
       Ermittlungsmethoden genutzt zu haben. LKA-Sprecher Stefan Jung sagte: "Für
       die Überwachung gab es richterliche Beschlüsse, alle gesetzlichen Auflagen
       wurden selbstverständlich eingehalten."
       
       Sein Pendant in Niedersachsen berichtet von zwei Fällen bei denen
       Spionagesoftware genutzt wurde. Die eingesetzte Software sei auch technisch
       von vornherein auf die Überwachung von Telekommunikation beschränkt,
       erklärt das Innenministerium.
       
       Allerdings stammten die dafür verwendeten Schadprogramme von dem
       Softwareanbieter Digitask, der auch den Staatstrojaner entwickelt hat. Im
       Juni habe Niedersachsen aber den Trojaner-Lieferanten gewechselt und eine
       Firma gewählt, bei deren Technik es keine Sicherheitslücken gebe, sagte
       Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Der Wechsel erfolgte aufgrund
       "technischer Modernisierungsarbeiten".
       
       In Hamburg ist ein Fall bekannt geworden, bei dem Trojaner-Software
       verwendet wurde. Allerdings stehe diese laut einer Prüfung des
       Zollkriminalamts in keinem Zusammenhang mit dem vom CCC enttarnten so
       genannten Bundestrojaner. Sven Billhardt, Sprecher der Justizbehörde,
       bestätigt gegenüber der taz: "Eine genaue Prüfung hat ergeben, dass die
       benutzte Software nicht identisch ist mit dem Bundestrojaner."
       
       In diesem Fall, es handelte sich um organisierten Zigarettenschmuggel,
       hatte das Landgericht im September 2010 lediglich eine Überwachung der
       Internettelefonie angeordnet. Die Software konnte zwar erfolgreich auf den
       Rechner des Beschuldigten aufgespielt werden. Dieser aber formatierte seine
       Festplatte neu, so dass der Trojaner nicht zum Einsatz kam.
       
       Das LKA Hamburg erklärte am Mittwoch, ausschließen zu können, dass in
       seinem Auftrag Trojaner auf Computer gespielt wurde. Man arbeite nicht mit
       Trojanern und habe es auch nie getan, sagte ein Sprecher.
       
       Die Polizei in Bremen wird sich zu den Trojanern erst am Donnerstag
       erklären. Der Sprecher des Bremer Innensenators sagte der taz, dass der
       Verfassungsschutz keine Trojaner eingesetzt habe.
       
       Die Diskussion um die staatliche Spionage alarmiert die Datenschützer. In
       Niedersachsen und Schleswig-Holstein kündigten sie an, die Software genau
       zu untersuchen und zu überprüfen. "Wir wollen wissen, was dieser Trojaner
       genau kann", sagte der stellvertretende Landesdatenschutzbeauftragte von
       Niedersachsen Rainer Hämmer. Sein Kieler Kollege Thilo Weichert sagte:
       "Mich überrascht der Fund des CCC überhaupt nicht." Einen Trojaner als
       Staat konform mit den Regeln des Verfassungsgerichts einzusetzen, sei gar
       nicht einfach. Er hält diese Ermittlungsmethode für "rechtsstaatlich
       problematisch".
       
       Die Grünen im Kieler Landtag fordern, den Einsatz der Spähsoftware
       auszusetzen, um offene Fragen zu klären. SPD- und Linksfraktion in
       Niedersachsen wollen den Einsatz der Spionagesoftware im Landtag
       thematisieren.
       
       12 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) D. Kummetz
 (DIR) E. Smechowski
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
       
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