# taz.de -- Richterwahl in Bolivien: Mehrheit stimmt ungültig
       
       > Statt – wie von Präsident Morales erhofft – große Unterstützung für seine
       > Regierung zu zeigen, signalisieren die Ergebnisse der neu eingeführten
       > Justizwahl eine wachsende Unzufriedenheit.
       
 (IMG) Bild: Eine Frau zeigt einen ungültigen Stimmzettel mit der Aufschrift "Collas e mierda".
       
       BUENOS AIRES taz | Boliviens Präsident Evo Morales rang nach Fassung.
       Wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale lobte er in einer knappen
       Ansprache die "massive, massive Teilnahme" seiner Landsleute an den ersten
       Justizwahlen.
       
       Rund 5,2 Millionen BolivianerInnen waren am Sonntag in einer einzigartigen
       Wahl aufgerufen, über die Besetzung der RichterInnenämter beim
       Verfassungsgericht, dem Obersten Gerichtshof, dem Umweltgerichtshof und den
       Mitglieder des Consejo de la Magistratura zu entscheiden, einem
       Kontrollrat, der über die Arbeit von RichterInnen und StaatsanwältInnen
       wacht. Dies schreibt die seit 2009 geltende Verfassung vor.
       
       Nach den bisher vorliegenden Ergebnissen sind jedoch 48 Prozent der
       abgegeben Stimmen ungültig. Dazu kommen 12 Prozent leere Stimmzettel.
       Lediglich 40 Prozent der Stimmen sind gültig. 20 Prozent der
       Stimmberechtigten haben nicht abgestimmt.
       
       Nach den Querelen der letzten Wochen um den Bau einer Fernstraße im
       Amazonasgebiet hatte der Urnengang eigentlich die Unterstützung für die
       Regierung zeigen sollen. "Früher wurden die Richter von nur 157
       Abgeordneten gewählt, jetzt haben Tausende und Tausende direkt über sie
       abgestimmt", wand sich Morales herum. Fehlende Information sei
       verantwortlich, sagte er, ohne die Resultate zu erwähnen. Als Gewinnerin
       sieht sich die Opposition. Sie hatte zur Abgabe ungültiger oder leerer
       Stimmzettel aufgerufen. Ihre Kritik: Alle Kandidaten wurden vom Parlament
       nominiert, in dem die Morales-Partei die Mehrheit hat.
       
       Vizepräsident Álvaro García Linera wies die Kritik zurück. Die Opposition
       habe KandidatInnen benennen können, aber die Vorgaben nicht eingehalten.
       "Das kann man nicht der Regierung ankreiden", sagte er. Zufrieden
       kommentierte dagegen Juan del Granado von der linksliberalen
       oppositionellen Bewegung ohne Angst (Movimiento Sin Miedo): "Die große
       Mehrheit der Bevölkerung hat deutlich gemacht, dass sie keine von der
       Regierungspartei eingesetzten Richter will."
       
       17 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Vogt
       
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