# taz.de -- Verfassungsgericht verhandelt Privatknäste: Vom privaten Pflegepersonal eingesperrt
       
       > Das Bundesverfassungsgericht klärt derzeit, ob Kliniken für
       > schuldunfähige Straftäter privatisiert sein dürfen. Geklagt hatte ein
       > psychisch Kranker Mann aus Hessen.
       
 (IMG) Bild: Unklare Rechtslage: Dürfen hoheitsrechtliche Aufgaben privatisiert werden?
       
       KARLSRUHE taz | Dürfen private Unternehmen im staatlichen Auftrag Gewalt
       anwenden? Darüber verhandelte am Dienstag der Zweite Senat des
       Bundesverfassungsgerichts. Konkret geht es um privatisierte Kliniken für
       psychisch kranke Straftäter.
       
       Der Kläger, der an der Verhandlung nicht teilnahm, ist Mitte dreißig und
       wird im hessischen Maßregelvollzug behandelt. Als er im April 2008
       unerlaubt versuchte, seine Station zu verlassen, und sich mit einer
       Pflegerin anlegte, sperrte ihn das Personal in eine Beruhigungszelle. Dies
       beanstandete der Mann mit Hilfe seines Anwalts Bernhard Schroer. "Es kann
       nicht sein, dass solche Grundrechtseingriffe von privatem Pflegepersonal
       ausgeführt werden, nur weil der Staat sparen will", sagte Schroer. Er
       berief sich aufs Grundgesetz, wonach für "hoheitsrechtliche Aufgaben" in
       der Regel Beamte einzusetzen sind.
       
       In Hessen wurde der Maßregelvollzug für psychisch kranke Straftäter jedoch
       2007 privatisiert. Der Fall hat in doppelter Hinsicht grundsätzliche
       Bedeutung. Zum einen haben die meisten Länder solche forensischen Kliniken
       an private Betreiber übergeben. Zum anderen dürfte Karlsruhe den Konflikt
       zum Anlass nehmen, generell zu bestimmen, wann der Staat Beamte einsetzen
       muss.
       
       ## Viele Zweifel zerstreut
       
       Das Land Hessen sah sich zu Unrecht angegriffen. "Auch vor 2007 wurden im
       Maßregelvollzug keine Beamten, sondern nur Angestellte und Arbeiter
       eingesetzt", sagte Staatsminister Michael Boddenberg (CDU). Außerdem sei
       der hessische Betreiber des Maßregelvollzugs, die Vitos GmbH, vollständig
       unter der Kontrolle einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, des
       Landeswohlfahrtsverbands (LWV). Die sechs führenden Mitarbeiter der
       forensischen Klinik seien auch beim LWV angestellt. Das bei der GmbH
       beschäftigte Pflegepersonal dürfe nur im Eilfall "unmittelbaren Zwang"
       anwenden.
       
       Die Richter waren anfangs sehr geneigt, diese Konstruktion für
       verfassungswidrig zu erklären, und wollten wissen, ob hier auf Kosten der
       eingesperrten Patienten an Zuwendung und Rechtsstaatlichkeit gespart werde.
       Die Vertreter des Landes konnten allerdings viele Zweifel zerstreuen. So
       werden die Beschäftigten heute nicht schlechter bezahlt, auch der
       Personalschlüssel sei gleich geblieben. Die Privatisierung habe es aber
       erleichtert, sich von unengagiertem Personal zu trennen - was im Interesse
       der Patienten sei.
       
       Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet. Möglicherweise werden nur
       langjährige Praktiken beanstandet, die mit der Privatisierung gar nichts zu
       tun haben, etwa die Postkontrolle durch Pflegepersonal.
       
       25 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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