# taz.de -- Kolumne Geräusche: Wie klingt katholisch?
       
       > Wer schon vor Rom das Nach-Rom fürchtet, kann trotzdem Atheist sein.
       
       Was genau uns auf Klassenfahrt in Rom dazu antrieb, von der Dachterrasse
       des nonnenbetriebenen Gästehauses verbotene Früchte fallen zu lassen - ich
       erinnere mich nicht. Aber das satte Plop, das entsteht, wenn eine
       Wassermelone hoch beschleunigt in einem Innenhof explodiert, habe ich noch
       im Ohr. Es ist eines meiner Rom-Geräusche.
       
       Ein paar Jahre später mietete ich mich in einer charmant-heruntergekommenen
       Pension in Venedig ein. Der Besitzer war ein mittelalter, schwuler Römer,
       den es in den gefühlten Norden verschlagen hatte. Er trug immer einen
       dicken Schal, die Nase lief -und er seufzte, er seufzte den ganzen Tag: Ach
       Rom, wieso habe ich dich verlassen?
       
       Jetzt, wo ich auf dem Sprung bin, drei Wochen als Austauschjournalist bei
       Radio Vatikan zu arbeiten, habe ich ein bisschen Bedenken: Wie wird es
       sein, wenn ich in den deutschen Frühwinter zurückfliege? Welches Geräusch
       wird mir dann nicht mehr aus dem Kopf gehen? Die Glocken von St. Peter? Das
       Credo? Ich bin ja leicht zu verführen.
       
       Vielleicht ist es ganz gut, noch mal die eigenen Position festzuschreiben,
       bevor man dem Herzen des Katholizismus beim Schlagen zusieht. Ich bin
       Atheist; das bedeutet, ich glaube nicht, dass es keinen Gott gibt, ich weiß
       es - frei nach dem beliebten Postkartenmotto: "Ich bin kein Klugscheißer,
       ich weiß es wirklich besser."
       
       Ebendeswegen muss ich gegen Religiöse und Religiöses überhaupt nicht
       eifern. Ich liebe Weihnachten, und ich bestärke meine Kinder im Glauben an
       ihren ganz persönlichen Schutzengel. In der neokatholischen
       Randalepublizistik à la Mosebach und Matussek sehe ich eher den ohne
       Bußrituale wohl nicht zu bewältigenden Abschied von anderen Drogen. Groß
       stören tun die Good Old Boys aber nicht: Oder liest das wer?
       
       Ein römisches Sprichwort sagt: "A Roma si fa la fede - e fuori si ci
       crede", was ungefähr bedeutet: "In Rom wird der Glaube gemacht, der Rest
       der Welt muss dann dran glauben." Das ist der Katholizismus, mit dem ich
       aufgewachsen bin, ein liberaler, wurschtiger,
       1970er-Jahre-Großstadtkatholizismus. Wir Kinder mussten so lange in die
       Kirche gehen, bis mein ältester Bruder sagte, für ihn sei es jetzt genug.
       Und da mein Vater zwar wollte, dass wir gingen, aber selber keine Lust
       hatte, mitzukommen, konnten wir kleinen Restbrüder durchsetzen, auch nicht
       mehr zu gehen. Die in Analogie zu den Islamisten vielleicht "Katholizisten"
       zu nennenden Radikalen lernte ich erst später kennen, ob im heiligen Tirol
       oder in der norddeutschen Diaspora.
       
       Aber dem Katholiken steht der Fanatismus so schlecht wie dem Lutherischen
       die Lebensfreude. Katholizismus ist eher "A Deal With God" (Kate Bush): Ich
       zahle und beichte, du lässt mich in Ruhe.
       
       Es war wohl auch dieser Gott, zu dem die von katholischen Funktionären
       gequälten und vergewaltigten Kinder und Jugendlichen in ihrer Verzweiflung
       beteten. Aber auch für sie konnte er nichts tun. Er nicht.
       
       Text: Wenn am conto is a debit: Dona nobis unam credit (Biermösl Blosn).
       Musik: Bridge Over Troubled Water (Simon & Garfunkel)
       
       27 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ambros Waibel
       
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