# taz.de -- Staat gegen Fußballmafia in Brasilien: Treibjagd auf den Minister
       
       > Brasiliens Sport taumelt von Skandal zu Skandal. Jetzt muss der fünfte
       > Minister innerhalb eines Jahres gehen. Staat und Mafia kämpfen um die
       > Vormacht.
       
 (IMG) Bild: Korruption und Vetternwirtschaft: Sportminister Orlando Silva musste zurücktreten.
       
       PORTO ALEGRE taz | Korruptionsvorwürfe en masse, wachsender Ärger über die
       Fifa und wieder ein geschasster Minister: Es geht hoch her in Brasilien.
       Eine zentrale Frage dabei lautet: Wer wird bei der WM 2014 den Ton angeben,
       die Fußballmafia - oder die vor einem Jahr mit 56 Prozent gewählte linke
       Präsidentin Dilma Rousseff?
       
       Bisher liegen Fifa-Chef Sepp Blatter, Brasilien Fußballverbandschef Ricardo
       Teixeira und Konsorten klar vorne. Am Mittwochabend musste Sportminister
       Orlando Silva zurücktreten. Der Kommunist ist bereits der fünfte Minister
       in diesem Jahr, den Rousseff nach Medienenthüllungen über Korruption und
       Vetternwirtschaft in die Wüste schickte.
       
       Dabei ist schon seit vielen Monaten bekannt, wie schamlos sich die kleine
       Kommunistische Partei in "ihrem" Ministerium bedient: Millionen aus dem
       Sozialprogramm "Zweite Halbzeit" flossen an Phantom-NGOs in kommunistisch
       regierten Gemeinden. Die damit geplanten Sportplätze oder Trainingszentren
       wurden nie gebaut, dafür füllten sich offenbar die schwarzen
       Wahlkampfkassen der Partei.
       
       Doch Rousseff sah lange keinen Anlass zum Durchgreifen: Orlando Silva hatte
       sie von ihrem Vorgänger Lula übernommen. Zudem ist Silvas Vorgänger und
       früherer Parteifreund Agnelo Queiroz, der ganz ähnlich agiert hatte, jetzt
       für Lulas und Rousseffs Arbeiterpartei PT Gouverneur von Brasília und
       potenzielles Ziel kommunistischer Racheakte.
       
       ## Dubioser Kronzeuge
       
       Dass nun vor zwei Wochen das rechte Wochenmagazin und Anti-PT-Kampfblatt
       Veja die jüngste Treibjagd auf den Minister eröffnete, passte wunderbar ins
       Konzept der Fifa und von Ricardo Teixeira, der auch Chef des
       WM-Organisationskomitees ist.
       
       Ob die Behauptung eines dubiosen Kronzeugen, der Minister habe in einer
       Garage Bargeld überreicht bekommen, überhaupt stimmt, ist dabei sekundär:
       Der Fifa geht es um die Schwächung der brasilianischen Regierung, denn
       gerade wird um das "allgemeine WM-Gesetz" gerungen, den rechtlichen Rahmen
       für die Auflagen der Fifa.
       
       Schon die Festlegung der Austragungsorte letzte Woche war eine gezielte
       Demütigung der Regierung: Demnach werden die Gastgeber nur im
       Maracanã-Stadion von Rio spielen, wenn sie ins Finale kommen, Hochburgen
       der Opposition wie São Paulo und Belo Horizonte dürfen sich Hoffnung auf
       zwei Spiele der Seleção machen, das "rote" Porto Alegre spielt nur dritte
       Geige.
       
       Doch Dilma Rousseff ist keine, die klein beigibt. Sie werde zu verhindern
       wissen, dass die Fifa und Teixeira die WM in ihr "Privatfest" verwandeln,
       ließ die Präsidentin streuen. Jetzt muss das Ministerium umgebaut werden,
       das die Kommunisten aber behalten dürfen: Am Donnerstag ernannte Rousseff
       Aldo Rebelo zum Minister, jenen Abgeordneten, der sich in zehn Jahren von
       einem der Chefankläger Teixeiras zu einem prominenten Fürsprecher des
       Agrobusiness gewandelt hatte.
       
       ## Vorladung wegen Geldwäsche
       
       Zudem habe Rousseff kürzlich von Kanzlerin Angela Merkel und Südafrikas
       Präsident Jacob Zuma von mancher Zumutung erfahren, die die Fifa den beiden
       letzten WM-Gastgebern auferlegt hatte, schrieb die Folha de São Paulo. Als
       "Einmischung in die internen Angelegenheiten" fasste sie die Erklärung von
       Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke auf, der sich schon fünf Tage vor dem
       Fall des Ministers öffentlich auf den "neuen Verhandlungspartner des
       Landes" freute.
       
       Ob die Präsidentin Teixeira in die Schranken weisen kann? Diese Woche
       versorgte Teixeiras Erzfeind, der BBC-Journalist Andrew Jennings, einen
       Senatsausschuss mit Details darüber, wie der "Pate" in den neunziger Jahren
       Millionen über Liechtenstein nach Brasilien transferierte. Und am Mittwoch
       bekam Teixeira von der Bundespolizei in Rio eine Vorladung wegen eines
       weiteren Geldwäscheverdachts.
       
       28 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gerhard Dilger
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Fußball-WM 2014
 (DIR) Fußball-WM 2014
 (DIR) Fußball-WM 2014
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) WM 2014 in Brasilien: Das gigantische Kind Adriano
       
       Brasilien fiebert der WM 2014 im eigenen Land entgegen. Ein Star von einst,
       Adriano, dürfte sie nur als Zaungast erleben – obwohl er dann erst 32 ist.
       
 (DIR) Brasilianischer Fußballverband: Jede Boshaftigkeit begehen
       
       Der brasilianische Fußballverband braucht gut zwei Jahre vor der WM im
       eigenen Land einen neuen Präsidenten. Der korrupte Ricardo Teixeira ist
       nicht länger tragbar.
       
 (DIR) Kolumne Pressschlag: Der Skandal-Sepp
       
       Es scheint, als hätten sie schon lange darauf gewartet, den Strippenzieher
       abzustrafen. Warum sich vornehmlich Engländer über Blatters Entgleisung
       erregen.
       
 (DIR) Mafiöse Strukturen: Onkel Sepp sorgt für die Familie
       
       Die Fifa vergibt Vermarktungsrechte an Fußballweltmeisterschaften. Einer
       der Vertragspartner heißt Philippe Blatter und ist der Neffe des
       Weltverbandspräsidenten.
       
 (DIR) Korruption in der Fifa: Weiter bedingt transparent
       
       Nach Sepp Blatters Reform-Show: Zweifel an der Glaubwürdigkeit seines
       Engagements gegen Korruption im Internationalen Fußballverband Fifa
       bleiben.