# taz.de -- Tschüs, Bundeswehr!: Reichlich Platz für Visionen
       
       > Viele Orte im Norden beklagen den Abzug der Bundeswehr. Dabei eröffnet
       > der jede Menge Möglichkeiten, Neues zu wagen, wo über Jahrzehnte alles
       > festgelegt schien. Die taz präsentiert ein paar Beispiele.
       
 (IMG) Bild: Bietet Platz für Flüchtlinge, Solarenergie - und Theater: Oldenburgs Fliegerhorst.
       
       Viel ist nicht geblieben von der zweitgrößten Garnison der Bundesrepublik:
       Die Bundeswehr hat sich schrittweise aus Oldenburg verabschiedet. Daran
       ändert auch der Umstand nicht viel, dass die Stadt bei den aktuellen
       Standortumstrukturierungen noch gut wegkommt. Das Erbe der Truppe ist umso
       größer: Eine der alten Kasernen ist vor Jahren in ein Wohn- und
       Gewerbegebiet verwandelt worden, eine weitere harrt ihrer Nachnutzung - und
       dann gibt es noch den Fliegerhorst.
       
       Um zu erahnen, welche Möglichkeiten das riesige Areal im Norden der
       160.000-Einwohner-Stadt bietet, muss man nur die letzten paar Monate
       überblicken: Der ehemalige Militärflugplatz, 1994 geschlossen, war in
       diesem Jahr schon Filmset, Theater, Opernbühne und Ausweichquartier für
       einen Sportverein, dessen Halle abgebrannt war. Demnächst ziehen
       Asylbewerber in zwei Kasernengebäude ein. An diesem Freitag wird
       Niedersachsens größtes Solarkraftwerk eröffnet und immer noch gibt es viel
       Platz auf dem über 300 Hektar großen Gelände.
       
       So verschieden wie die Nutzungen stellt sich das Gelände selbst dem
       Besucher dar. Am Pförtnerhäuschen wacht noch immer jemand über den Zugang
       zum ehemaligen Sperrgebiet, das zum Großteil von der Bundesanstalt für
       Immobilienaufgaben verwaltet wird - nur dass es jetzt Zivilisten sind, die
       die Schranke hochkurbeln. Zwei alte Kampfflugzeuge sind dort auf Ständern
       montiert, sie erinnern an Modellbausätze in Jugendzimmern.
       
       Andere Stellen wiederum würden sich vortrefflich als Kulisse für einen
       Endzeitfilm eignen: Zerfallene Baracken, überwucherte Betonflächen,
       verlassene Bunker. Gedreht wurden indes Szenen für den ZDF-Film "München
       '72"; als das Filmteam wieder weg war, kam gleich das nächste und drehte
       eine Doku über die Arbeit der Kollegen.
       
       Zu diesem Zeitpunkt hatte das Oldenburgische Staatstheater gerade erst
       seine dortige "Wahlheimat" geräumt. Während der einjährigen Sanierung des
       historischen Theatergebäudes in der Innenstadt war die "Halle 10" als
       Übergangsspielstätte eingerichtet worden. In der ehemaligen Flugzeugwerft
       wurden Wagners Walküre, Kafkas Prozess, Kleist, Shaw und Brecht aufgeführt.
       Als das Ensemble zur neuen Spielzeit ins angestammte Haus zurückkehrte, war
       auch ein bisschen Wehmut dabei.
       
       Zwei andere Gebäude, die trotz jahrelangen Leerstands in passablem Zustand
       sind, hat die Stadt gekauft. Dort ziehen demnächst Asylbewerber ein.
       Eigentlich hätte man sie dezentral im Stadtgebiet unterbringen wollen, aber
       Oldenburg mangelt es am nötigen Wohnraum: Die Einwohnerzahl wächst seit
       Jahren. Da käme ein derartiger Flächenzuwachs gerade recht: Der Oldenburger
       Teil des Fliegerhorsts, der sich bis in den benachbarten Landkreis
       Ammerland erstreckt, umfasst rund 200 Hektar, eine Fläche von der Größe
       Monacos.
       
       Ebenso groß wie das Areal sind die mit ihm verbundenen Visionen: Wohn- und
       Gewerbeparks, ja, ein ganz neues Viertel könnten dort entstehen, nur fünf
       Kilometer vom Stadtkern entfernt. Beinahe wirkt es, als wären die
       Lokalpolitiker selbst überwältigt von den Möglichkeiten, die sich bieten;
       etwa als die SPD und FDP im Stadtrat kürzlich noch gegen den Bau des
       Solarparks stimmten, weil sie fürchteten, andere Nutzungsoptionen des
       Geländes damit einzuschränken.
       
       27 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Maik Nolte
       
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