# taz.de -- Völkermord in Ruanda 1994: Frankreichs Soldaten am Pranger
> Die französischen Soldaten waren 1994 nach Ruanda gekommen, um Teile der
> Bevölkerung zu schützen. Jetzt enthüllt ein Magazin
> Vergewaltigungsvorwürfe gegen sie.
(IMG) Bild: Die Gedenkstätte in Ruanda erinnert an den Völkermord 1994.
Wann ist in Frankreich endlich eine offene Diskussion über die mögliche
Mitverantwortung des Landes für den Völkermord in Ruanda 1994 möglich?
Jetzt wohl noch nicht, wie die jüngste Affäre um Vergewaltigungsvorwürfe
gegen damals in Ruanda stationierte französische Soldaten zeigt.
Das Frauenmagazin La Causette, eine relativ neue feministische Pariser
Monatszeitschrift, legt in ihrer aktuellen Ausgabe detaillierte Ergebnisse
einer monatelangen Recherche vor, in der ruandische Tutsi-Frauen erzählen,
was ihnen von französischen Soldaten angetan worden sein soll, damals im
Sommer 1994.
Es war die Zeit, als in Ruanda mehrere Hunderttausend Tutsi von Armee und
Hutu-Milizen getötet worden waren und Frankreich schließlich mit der
"humanitären" Militärintervention "Opération Turquoise" eingriff -
offiziell, um den Genozid zu stoppen; faktisch, um die Täter des Genozids
vor vorrückenden Tutsi-Rebellen zu schützen und in den benachbarten Kongo
zu bringen.
Eine heute 54-jährige Tutsi-Überlebende schildert in dem Bericht, den die
Website Rue89 in Auszügen wiedergibt, ihre damaligen Erlebnisse: Ein
Nachbar hatte sie beim nahen französischen Militärcamp als
Rebellenkämpferin denunziert, die Waffen versteckt habe. Drei weiße
Soldaten seien in ihre Hütte eingedrungen.
Einer habe sie auf ihr Bett gezwungen und sie vergewaltigt, gefolgt von
einem zweiten. Eine weitere erzählt, im Tutsi-Flüchtlingslager Nyarushishi
hätten französische Fallschirmjäger Lebensmittel verteilt und im Gegenzug
Sex verlangt. Der kommandierende Oberst Didier Tauzin, mit diesen
Schilderungen konfrontiert, reagiert dem Bericht zufolge so: "Man kann
diesen armen Frauen keinen Vorwurf machen. Eine Mutter, die ihren Körper
verkauft, um ihre Kinder zu ernähren, ist etwas Wunderbares."
Fast wäre diese vernichtende Recherche nie erschienen. Kurz vor Drucklegung
der Zeitschrift verschwanden fast alle Materialien dazu aus ihren
Computern, gab Causette-Herausgeber Grégory Lassus-Debat bekannt und
erstattete Anzeige gegen unbekannt. Die Vorfälle, berichtete er, ereigneten
sich am 19. Oktober: "Beim Versand an die Druckerei wurde fast das
komplette Dossier aus dem Server gelöscht. Das war kein Systemabsturz."
## Überwacht und eingeschüchtert
Man habe die Texte schließlich wiederherstellen können. Doch sei
offensichtlich in den Server eingedrungen worden; auch der Mailverkehr sei
überwacht worden und Drohbriefe seien eingegangen. Ein Radiointerview von
France Info, in dem Lassus-Debat all dies weiter ausführt, ist mittlerweile
ebenfalls aus dem Internet verschwunden.
Solche merkwürdigen Vorgänge sind nicht ungewöhnlich in einem Land, in dem
kritische Journalisten gerne mal vom Geheimdienst bedrängt werden. Aber das
Bestreben Frankreichs, seine schmutzige ruandische Wäsche zu verstecken,
ist schon außergewöhnlich hartnäckig. Alle Versuche ruandischer
Tutsi-Völkermordopfer, in Frankreich Klage gegen französische
Militärangehörige zu erheben, sind gescheitert.
Zuletzt waren im Juni drei Ruanderinnen nach Paris gereist, um vor einem
Militäruntersuchungsrichter auszusagen. Die Anhörung wurde in letzter
Minute abgesagt, weil der Richter angeblich gestürzt und dabei seine
Achillessehne gerissen war. Das war auch der Auslöser für Causette, selbst
in Ruanda zu recherchieren - und sich in Frankreich eine blutige Nase zu
holen.
28 Oct 2011
## AUTOREN
(DIR) Dominic Johnson
(DIR) Dominic Johnson
## TAGS
(DIR) Schwerpunkt Frankreich
(DIR) Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
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