# taz.de -- Wegen Kurdenkonflikt: Erdogan angezeigt
       
       > Mit einer Strafanzeige haben MenschenrechtsaktivistInnen den türkischen
       > Premier in Berlin empfangen. Sie werfen Erdogan Kriegsverbrechen vor.
       
 (IMG) Bild: Nicht alle empfangen ihn freundlich: Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan auf Berlin-Besuch.
       
       BERLIN taz | Zur Begrüßung des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip
       Erdogan in Deutschland hat eine Gruppe von Wissenschaftlern und Politikern
       sowie der Menschenrechtsverein für Demokratie und Internationales Recht
       Strafanzeige gegen den Regierungschef und neun weitere Vertreter aus
       Politik und Militär erstattet.
       
       Der Vorwurf aus der Anzeige, die am Montag bei der Bundesanwaltschaft in
       Karlsruhe eingereicht wurde, wiegt schwer: Verbrechen gegen die
       Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Diese sollen seit 2003 von türkischen
       Sicherheitskräften und der Armee an der kurdischen Bevölkerung in der
       Türkei und im Nordirak begangen worden sein.
       
       Die Grundlage für diese Anzeige bildet das seit 2002 in Deutschland
       bestehende Völkerstrafgesetzbuch, das auch auf Taten angewendet werden
       kann, die im Ausland begangen wurden.
       
       ## Angriff auf Kurden im Nordirak
       
       Zehn solche "exemplarischen Fälle" werden in der Anzeige aufgelistet. Der
       jüngste soll sich vor gut zwei Monaten ereignet haben. Nach Angriffen der
       PKK auf türkische Soldaten kündigte Erdogan im August an: "Die Zeit des
       Redens ist vorbei."
       
       Daraufhin griff die türkische Armee etwa 500 mutmaßliche Stellungen der
       Kurdenrebellen im Nordirak an. Dabei soll es durch einen Raketenangriff zur
       Tötung von sieben Zivilisten, darunter vier Kindern, gekommen sein. Dies
       sei "vorsätzlich" passiert, wie in der Strafanzeige behauptet wird.
       
       Die türkische Armee wies damals zwar Berichte über zivile Opfer zurück,
       Amnesty International forderte jedoch "eine sofortige und unabhängige
       Untersuchung des Vorfalls". Diese fand bisher nicht statt, stattdessen
       weitete die türkische Armee ihre Angriffe im Nordirak im letzten Monat
       wieder aus.
       
       Vergangene Woche überquerten türkische Panzer erneut die Grenze, um
       Vergeltung für einen Angriff der PKK zu üben, bei dem in der Provinz
       Hakkari 24 Soldaten und Polizisten getötet wurden.
       
       In den anderen Fällen geht es unter anderem um die angebliche Tötung von
       gefangen genommenen Kämpfern und um den angeblichen Einsatz chemischer
       Waffen. In der Anzeige kritisieren die Initiatoren die "zum großen Teil
       gravierenden menschen- und völkerrechtswidrigen Verstöße in der Türkei".
       Human Rights Watch bezeichnet die Situation in der Türkei in diesem
       Zusammenhang als "Kultur der Straflosigkeit".
       
       3 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Timo Reuter
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Deniz Yücel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Vergangenheitsbewältigung in Türkei: Bruch mit dem Völkischen
       
       Zum ersten Mal hat sich ein türkischer Ministerpräsident für Massaker an
       Minderheiten öffentlicht entschuldigt. Das ist doch mal ein Anfang.
       
 (DIR) Freispruch für Studenten in der Türkei: Einfallsreich gegen Behörden-Willkür
       
       Ein Gericht in Ankara spricht 28 Studenten vom Vorwurf frei, Mitglieder
       einer Terrororganisation zu sein. Das Verfahren beweist die Rückständigkeit
       der Politik.
       
 (DIR) Tayyip Erdogan bei der Bundeskanzlerin: Jahrestag mit Seitenhieben
       
       Merkel und Erdogan würdigen die "Gastarbeiter" der ersten Stunde. Zuvor
       hatte der türkische Premier die deutsche Politik kritisiert und Europa
       Mitschuld an PKK-Gewalt gegeben.
       
 (DIR) Kommentar Erdogan: Der falsche Anwalt für Deutschtürken
       
       Im Munde des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan wird jede
       kritische Frage unglaubwürdig. Meistens gelangt der Premier nicht über
       großspurige Ankündigungen hinaus.
       
 (DIR) Kommentar Ankara und die PKK: Unversöhnliche Akteure
       
       Beide Seiten wissen, dass es keinen militärischen Sieg geben kann. Doch wie
       viele Menschen müssen noch sterben, bis ernsthaft verhandelt wird?
       
 (DIR) Kurdenkonflikt in der Türkei: Erdbeben in der Kriegszone
       
       Die vom Erdbeben betroffene Region ist kurdisches Kernland, hier kämpft die
       Armee gegen die PKK. Vielleicht kann das Erdbeben zu einer Versöhnung
       beitragen.
       
 (DIR) Türkische Armee greift PKK an: 10.000 marschieren im Nordirak ein
       
       Die türkische Armee hat 22 Bataillone aufgeboten, um die PKK im Norden
       Iraks anzugreifen. Der Einmarsch ist mit der kurdischen Autonomieregierung
       abgesprochen.