# taz.de -- Peter van Ham über Kopfjäger: "Schädel wurden regelmäßig gereinigt"
       
       > Noch heute ist die Kopfjagd bei den Naga mit ihrem Sozialgefüge
       > verbunden, sagt Buchautor Peter van Ham. Er besuchte mehrmals die
       > Kopfjäger im Nordosten Indiens.
       
 (IMG) Bild: Ein Kopfjäger von den Naga im Nordosten Indiens.
       
       taz: Sie waren 1996 erstmals im Nagaland, wussten Sie, dass Sie zu aktiven
       Kopfjägern fuhren? 
       
       Peter van Ham: Nein, für mich war das alles nur Geschichte. Aber dann saß
       ich eines Tages einem Naga in den besten Jahren gegenüber und fragte: Haben
       Sie sich denn früher auch an der Kopfjagd beteiligt? Der aber lehnte sich
       zurück und sagte: "Was heißt hier ,früher'? Ich mache das noch heute."
       
       Gibt es dort eine Verwaltung? 
       
       Nagaland verfügt über zwölf Townships mit offiziellen Verwaltungen,
       Wellblechhütten und allen möglichen technischen Einrichtungen. Die
       Regierungsgewalt ist das Privileg bestimmter Stämme. Wenn man ins Bergland
       geht, spürt man davon kaum etwas. 2003 bin ich mit
       Distriktverwaltungsbeamten dort in Orte gereist; deren Einwohner waren
       völlig konsterniert, dass sie überhaupt einmal Besuch aus ihrer Hauptstadt
       bekamen. Dann freuten sie sich.
       
       Freundliche Kopfjäger? 
       
       Wenn man es mit Menschen zu tun hat, die sich selber als Kopfjäger
       definieren und für die das zu ihrem Wesenskern gehört, kann man erst mal
       nur staunen. Wenn die dann merken, hier ist kein Missionar, der dir etwas
       vereiteln will, sondern jemand hört unvoreingenommen zu, dann zeigen sie
       ihren ganzen Stolz auf ein gewaltiges Kulturerbe. Mit der Kopfjagd ist nun
       mal ihre Architektur verbunden, dazu gehören Schmuck, Textilien und
       Trachten, das ganze Sozialgefüge ist auf diesem Prinzip aufgebaut.
       
       Und sonstige Hinweise? 
       
       Eines Tages war ich in einem Dorf zu Gast, in dem man um fünf Uhr
       nachmittags die Tore schloss und uns sagte: Ihr müsst jetzt gehen! Sie
       schickten uns in unsere offizielle Unterkunft zurück, deuteten an, es könne
       zu Kopfjagden kommen, und rieten uns, bis zum Morgengrauen das Haus nicht
       zu verlassen. Das ging drei Tage lang so. Den Anlass bot eine uralte
       Stammesfehde.
       
       Haben Sie auch frische Schädel gesehen? 
       
       Nein, nur etwa 60 ältere. Man hat sie hervorgeholt, wenn der christliche
       Priester gerade mal abwesend war, und man sagte mir, die stammen aus den
       letzten 300 Jahren. Die Schädel wurden regelmäßig gereinigt.
       
       Wenn die Naga sich durch Kopfjagd selbst reduzieren, wieso sind sie nicht
       ausgestorben? 
       
       Traditionellerweise wurde Kopfjagd nur dann durchgeführt, wenn ein ganz
       wichtiges Ereignis stattfand, zum Beispiel die Einweihung eines neuen
       Häuptlingshauses aus Bambus. Das hält so etwa 20 Jahre lang.
       
       4 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Kerneck
       
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