# taz.de -- Polizeiskandal um Ökoaktivist: Linkspartei fordert Bouffiers Rücktritt
       
       > Dem Politaktivisten Jörg Bergstedt wurde von der hessischen Polizei,
       > Politik und Justiz übel mitgespielt. Schuld sei der
       > CDU-Ministerpräsident, meint die Linkspartei.
       
 (IMG) Bild: Sag zum Abschied leise Servus – das hätte zumindest die Linkspartei gerne von Bouffier.
       
       FRANKFURT taz | Natürlich steht der Politaktivist Jörg Bergstedt in der
       Tradition der Umherschweifenden Haschrebellen um den früh verstorbenen
       Vater der Justizprovokation, Fritz Teufel.
       
       Und dass Bergstedt (45) und seine Leute aus der Projektwerkstatt
       Reißkirchen dem politischen Establishment um den in Gießen residierenden
       Anwalt und damaligen Hessischen Innenminister Volker Bouffier (CDU) nach
       2000 in der Provinz ebenso auf den Wecker gingen wie Teufel & Co 1968 ff.
       dem Westberliner Establishment, steht außer Frage.
       
       "Wir waren zeitweise Teil des Gießener Stadtbildes", resümiert Bergstedt,
       der am Donnerstagabend im Frankfurter Club Voltaire über zahllose
       Happenings referierte, nicht ohne Stolz. Das Ziel lautete, in der Stadt
       Debatten etwa über eine Gefahrenabwehrverordnung oder den Freiwilligen
       Polizeidienst zu provozieren, "was zum Ärger des Bouffier-Clans auch fast
       immer funktioniert hat" (Bergstedt).
       
       Da wurde auf Flugblättern die "Sprengung von Herrschaftssymbolen in Gießen"
       angekündigt. Die Polizei besetzte die halbe City - und Bergstedts Leute
       rückten mit Gießkannen an.
       
       ## Vom Fahrrad weg festgenommen
       
       2006 schlug das System jedoch zurück. Bergstedt wurde am Morgen des 14. Mai
       vom Fahrrad weg festgenommen und beschuldigt, ein Haus in der Nähe des
       Hauses von Bouffier mit Farbe beschmiert und ein Loch in die Tür der
       Kreisgeschäftsstelle der CDU gebohrt zu haben, obgleich er ein Alibi hatte.
       
       In der fraglichen Nacht spielte er mit Freunden vor dem Gebäude der
       Gießener Staatsanwaltschaft Federball. Ein eigens auf ihn angesetztes
       Sonderkommando der Polizei observierte ihn dabei und fertigte einen Bericht
       darüber an. Dennoch wurde der "Kommunikationsguerillero auf richterlichen
       Beschluss hin für vier Tage in "Unterbindungsgewahrsam" genommen.
       
       Ein Jahr später erklärte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt die
       Inhaftierung für rechtswidrig. Bergstedt stellte Strafanträge gegen 29
       Personen - darunter auch Bouffier - wegen Freiheitsberaubung. Bei den
       inzwischen eingestellten Ermittlungen kam heraus, dass die Aktion wohl im
       Hessischen Innenministerium mit "höchsten Polizeikräften" detailliert
       vorbereitet worden war. Einer Akte des Landeskriminalamtes ist zudem zu
       entnehmen, dass man die wahren Täter bewusst hatte laufen lassen, um sich
       auf Bergstedt konzentrieren zu können.
       
       Die Opposition im Hessischen Landtag spricht von einem "handfesten
       Polizeiskandal". Es könne nicht angehen, dass ein Politaktivist mit
       polizeilichen Maßnahmen überzogen werde und unschuldig hinter Gitter
       wandere, "nur weil sich ein Innenminister gestört und belästigt fühlt",
       erklären die Grünen. Auch die Linkspartei greift den amtierenden
       Regierungschef Bouffier, der bislang hartnäckig schweigt, scharf an: "Der
       Ministerpräsident, der einen Amtseid auf den Rechtsstaat geleistet hat und
       in dessen Verantwortungsbereich eine unrechtmäßige Freiheitsberaubung
       fällt, muss zurücktreten."
       
       Übrigens: Der Ökoaktivist Bergstedt wurde 2008 wegen Hausfriedensbruch und
       Sachbeschädigung im Rahmen einer "Feldbefreiungsaktion" - es ging um ein
       Versuchsfeld für gentechnisch veränderte Gerstenpflanzen - zu einem halben
       Jahr Gefängnis verurteilt. Die Verfahren gegen seine Mittäter wurden
       dagegen eingestellt.
       
       11 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Peter Klingelschmitt
       
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