# taz.de -- Parteitag der FDP: Henkel schickt liberale Heuschrecken
       
       > Auf ihrem außerordentlichen Parteitag diskutiert die FDP über Europa.
       > Hilfe bekommt die angeschlagene Parteiführung ausgerechnet von Guido
       > Westerwelle.
       
 (IMG) Bild: Einigkeit sieht anders aus: Philipp Rösler und Guido Westerwelle.
       
       FRANKFURT/MAIN taz | Die Hilfe kommt von unverhoffter Seite. Dass der
       Außenminister die Position der Parteiführung für den Europäischen
       Rettungsschirm für richtig hält, wäre ja nicht weiter verwunderlich. Aber
       Guido Westerwelles Hilfe für Philipp Rösler, seinen Nachfolger als
       Parteichef und Vizekanzler, ist eher emotionaler Art.
       
       Was der junge, mitunter linkisch wirkende Vizekanzler nicht schafft, kriegt
       der ziemlich geladene Außenminister hin – nämlich jene Delegierten
       wachzurütteln, die eigentlich gegen den Mitgliederentscheid der
       Euro-Rebellen um Frank Schäffler sind, sich aber beim Parteitag in
       Frankfurt nicht recht trauen, das auch laut zu sagen. Drei Stunden sind
       seit Röslers Rede vergangen, nun spricht Westerwelle – ab jetzt sind
       wirklich alle wach in der Frankfurter Messe.
       
       "Europa hat seinen Preis, ja, aber es hat auch einen Wert", dröhnt
       Westerwelle in den Saal. "Deutschland ist in Wahrheit nur groß in Europa,
       in der Welt sind wir ziemlich klein. Wenn wir das verteidigen wollen, sind
       wir gut beraten, zusammen zu halten. Auch dann, wenn es bitter wird."
       Scharf greift er die Euro-Kritiker um den Abgeordneten Frank Schäffler an
       und verwahrt sich gegen deren Ansicht, der Parteitag würde nicht den Willen
       der Basis repräsentieren.
       
       "Wer für Europa ist, ist nicht gegen die Basis", schmettert Westerwelle. Er
       ist echt wütend. "Auch wir haben zu viel Schulden gemacht!" geht er gegen
       die deutsche Musterschülerattitüde an. Als er endet, springen die meisten
       der 660 Delegierten auf, sie applaudieren minutenlang.
       
       ## Es ist ernst
       
       Ausgerechnet Westerwelle also. Der Mann, den die Basis vor einem halben
       Jahr auf ihrem Rostocker Parteitag hinweggefegt hat, der sich für seine
       Libyen-Politik von Rösler maßregeln lassen musste. Wenn Westerwelle sich
       mit breiter Brust vor die Parteispitze stellt, steht es ernst um die FDP.
       Und ja, es ist ernst.
       
       Vor einigen Tagen sind die Unterlagen an die Mitglieder in die Post gegeben
       worden, die Liberalen sollen entscheiden, wie sie sich zum Europäischen
       Rettungsschirm ESM verhalten soll. Würden die Gegner um Schäffler gewinnen,
       wäre das nicht bindend für Partei und Fraktion – aber es ist klar, dass
       dann die FDP im Bundestag Politik gegen die eigene Basis machen müsste. Ein
       Unding. Schäfflers Sieg wäre also womöglich das Ende von Schwarz-Gelb.
       
       Entsprechend monothematisch geht es her in Frankfurt. Und das, obwohl sich
       der Parteitag vor allem um das Thema Bildung drehen soll, aber auch um den
       Mindestlohn und damit das Verhältnis zum Koalitionspartner CDU. Und im Kern
       doch auch um die Führungs- und Sinnkrise der Partei, ihre miserablen
       Zustimmungswerte beim Wähler.
       
       ## Ein Wagenknecht-Fauxpas
       
       Die Situation ist zusätzlich kompliziert, weil der Ex-BDI-Vorsitzende Hans
       Olaf Henkel dieser Tage die Schwäche der Liberalen nutzt und kampagnenartig
       dazu auffordert, in die FDP einzutreten, dort gegen den Rettungsschirm zu
       stimmen und anschließend wieder auszutreten. Dies wäre nichts weniger als
       politisches Heuschreckenwesen.
       
       Die Henkel-Attacke empört auch Rösler ungemein. In seiner Rede am
       Nachmittag beschwört er die Delegierten, wieder zur Sacharbeit
       zurückzukehren. Den Euro-Zweiflern verspricht er "eine Stabilitätsunion mit
       Sanktionen und Insolvenz" und die Bereitschaft, "Kompetenz nach Brüssel
       abzugeben". Aber wer das wolle, müsse "auch zulassen, dass politische
       Schritte dahin unternommen werden. Wer ernsthaft dahinter steht, akzeptiert
       ESM und ESFM!"
       
       Er lobt die liberalen Kabinettsmitglieder für ihre Arbeit und schmäht die
       Opposition. Zu Sahra Wagenknecht, deren Vater Iraner ist, leistet er, der
       gebürtige Vietnamese, sich einen Fauxpas: "So gut sieht die gar nicht aus.
       Die hat ganz kleine Augen, ich kenn mich damit aus." Der Applaus bleibt
       dünn.
       
       Und noch etwas spielt eine wichtige Rolle in Frankfurt: das
       Binnenverhältnis in der Koalition. Zugegeben, eine Partei die binnen zwei
       Jahren von 14,6 Prozent auf 3 Prozent Wählerzustimmung gerutscht ist, hat
       ein Problem damit, sich als richtlinienkompetenter Partner der Union zu
       erweisen.
       
       Dennoch hat der Bundesvorstand ausreichend Chuzpe, der ab Sonntag in
       Leipzig parteitagenden CDU zu vermitteln, was man von deren
       Mindestlohn-Idee hält: nichts. Mit den Freidemokraten werde es "keinen
       flächendeckenden, allgemeinen Mindestlohn geben", sagte Vizekanzler und
       Wirtschaftsminister Rösler. Der Parteitag möge einen entsprechenden
       Dringlichkeitsantrag des Vorstands beschließen. Über den werden die
       Delegierten am Sonntag abstimmen.
       
       13 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anja Maier
       
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