# taz.de -- Interview mit Ulli Jentsch vom apabiz: "Der Geheimdienst war im Bilde"
       
       > Nötig ist kein NPD-Verbot, sondern eine gesamtgesellschaftliche
       > Auseinandersetzung über Rechtsextremismus, sagt Ulli Jentsch vom apabiz.
       
 (IMG) Bild: Uwe Boehnhardt (l.) und Uwe mundlos (r.), hier 1996, wurden auch nach ihrem Untertauchen 1998 noch von Thüringer Zielfahndern fotografiert.
       
       taz: Herr Jentsch, gerade erschüttert die aufgedeckte Mordserie von
       Thüringer Neonazis das Land. Hätten Sie so etwas für möglich gehalten? 
       
       Ulli Jentsch: In dieser Dimension hätte das sicher niemand. Eine wirkliche
       Überraschung ist es aber trotzdem nicht. Die Täter kamen aus
       neonazistischen Strukturen Ende der 90er, in denen immer wieder mit Waffen
       und Sprengstoffen hantiert wurde. Schon damals haben Experten vor rechtem
       Terror gewarnt. Nur wollten das wenige hören.
       
       Wie groß, denken Sie, war der Unterstützerkreis des Trios? 
       
       Die paar Fäden, die man bisher kennt, zeigen, dass es Leute waren, mit
       denen die drei schon vor ihrem Untertauchen 1998 bekannt waren. Am Ende war
       es wohl eine Handvoll enge Kameradschaftsfreunde, die aber über bundesweite
       Kontakte verfügten. Das entspricht dem damals diskutierten Konzept des
       "führerlosen Widerstands".
       
       Sicherheitsbehörden behaupten, nichts gewusst zu haben. Ist das
       glaubwürdig? 
       
       Nein. Im Fall der Jenaer Kameradschaftsstrukturen war der
       Inlandsgeheimdienst von Anfang an im Bilde. Und wie wir heute wissen, war
       er auch noch während der Mordserie beteiligt. Für mich ist dieser
       Geheimdienst eine Gefahr für die demokratische Kultur.
       
       Könnte sich heute eine ähnliche Terrorzelle bilden? 
       
       Natürlich. Gerade der gewaltbereite Kreis der Autonomen Nationalisten kommt
       dafür jederzeit in Frage. Diese Leute terrorisieren heute schon
       Andersdenkende, befinden sich in einem "Krieg gegen ein Scheiß-System".
       
       Was kennzeichnet den Rechtsextremismus in Berlin? 
       
       Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist er strukturell recht schlecht
       aufgestellt. Die NPD plagen interne Querelen und eine schwache
       Personaldecke. Und das nicht parteigebundene Spektrum leidet unter der
       vergleichsweise starken Repression. Allein drei Kameradschaften wurden in
       Berlin seit 2005 verboten und fast alle Rechtsrock-Konzerte. Eine
       rechtsextreme Musikszene konnte sich hier nie etablierten und musste in
       andere Bundesländer ausweichen.
       
       Ein Erfolg von SPD-Innensenator Ehrhart Körting? 
       
       Er hat seinen Job gemacht. Umso genauer muss man jetzt schauen, ob auch
       unter Rot-Schwarz Rechtsextremismus weiter offensiv und präventiv
       angegangen wird. Entscheidend aber ist, dass wir in Berlin eine breite
       Initiativenlandschaft aus Antifa und Zivilgesellschaft haben, die immer
       wieder den Finger in die Wunde legt und keine Ruhe gibt. Anders als in
       manch ländlichem Raum wird Neonazis hier das Terrain sehr, sehr eng
       gemacht.
       
       Also keine Probleme? 
       
       Doch. Denn augenfällig ist, dass die organisierte Neonazi-Szene momentan
       überhaupt kein politisches Programm hat, sondern nur mit Einschüchterung zu
       punkten versucht. Erinnert sei an die wiederholten Sachbeschädigungen und
       Brandanschläge auf linke Einrichtungen und Parteibüros. Und die NPD fährt
       in Berlin weiter einen klaren NS-Kurs, ohne sich je bürgerlich angepasst zu
       haben.
       
       Soll die NPD verboten werden? 
       
       Wir sind keine Freunde von Verboten. Es gibt einen Reflex in der deutschen
       Politik, beim Auftreten rechtsextremer Probleme immer gleich zu glauben,
       dies sei eine staatliche, ordnungspolitische Aufgabe. Und gerade jetzt
       lenkt jeder neue Verstoß für ein Verbot davon ab, dass die Bundesregierung
       ihren eigenen Inlandsgeheimdienst nicht im Griff hat. Natürlich kann man
       eine Partei verbieten, die offen angibt, das demokratische System
       abschaffen zu wollen. Nötig ist aber eine gesamtgesellschaftliche
       Auseinandersetzung darüber, was Phänomene wie die NPD begünstigt. Und das
       beginnt bei Einstellungen wie Rassismus und Antisemitismus, die auch weit
       außerhalb dieser Partei zu finden sind.
       
       Wie lange muss es das apabiz noch geben? 
       
       Wir arbeiten ja daran, das Problem zu lösen. (lacht) Ich fürchte aber, dass
       uns das Thema noch eine ganze Weile verfolgen wird.
       
       16 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
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 (DIR) Schwerpunkt Rechter Terror
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