# taz.de -- Geplante Reform der Ein-Euro-Jobs: So nutzlos wie möglich
       
       > Ein-Euro-Jobs dürfen der Privatwirtschaft gar keine Konkurrenz mehr
       > machen. Die neue Arbeitsmarkt-Reform bedroht letzte Chancen für
       > Arbeitslose zur Qualifikation.
       
 (IMG) Bild: Bloß keine komplexen Aufgaben erledigen! Ein-Euro-Jobber in Leipzig.
       
       Die Liste ist bezeichnend: 1-Euro-Jobber dürfen in einer Bücherbörse keine
       "Restaurierungsarbeiten" an gespendeten Büchern vornehmen. Nur "Radieren,
       Kleben, Entfernen von Eselsohren" sind erlaubt. Auch gespendete Möbel
       dürfen zwar weitergegeben werden. Aber wehe, ein 1-Euro-Jobber wagt, den
       Schrank aufzupolieren oder auszubessern: Ist nicht gestattet. Könnte ja
       Jobs in der Privatwirtschaft gefährden.
       
       Die Ausschlusskriterien sind Teil der Berliner "Positivliste" für
       1-Euro-Jobs, die Arbeitslosen in diesen Maßnahmen vorschreibt, was sie tun
       dürfen und was nicht. Berlin galt bisher als ein Bundesland mit besonders
       strengen Einschränkungen. Doch mit der kommenden Instrumentenreform in der
       Arbeitsförderung werden die Bedingungen noch einmal bundesweit verschärft.
       Die "Wettbewerbsneutralität" der Tätigkeiten wird als Fördervoraussetzung
       gesetzlich festgeschrieben.
       
       Diese Passage werde zu noch weniger sinnstiftender Arbeit und
       Qualifizierung führen, sagt Michael Haberkorn, Geschäftsführer des Berliner
       Trägerdachverbandes bvaa. "Es ist kontraproduktiv", rügt auch Manfred Gans,
       Sprecher des Hamburger Landesverbandes der Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit
       (BAG) und Geschäftsführer des Beschäftigungsträgers Quadriga. "Man soll
       Zwerge aussägen, die hinterher zerbrechen."
       
       Das "Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt"
       wird am Dienstag im Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag
       verhandelt. "Das Gesetz dient allein dem Ziel, die massiven Sparbeschlüsse
       der Bundesregierung im Bereich der Arbeitsmarktpolitik umzusetzen", sagte
       SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil der taz.
       
       ## 8 Milliarden Euro Einsparungen bis 2015
       
       Bis zum Jahre 2015 sollen in der Beschäftigungsförderung der
       Bundesarbeitsagentur 8 Milliarden Euro eingespart werden. Von Oktober 2010
       bis Oktober 2011 sank der Bestand an Teilnehmern von
       Beschäftigungsmaßnahmen bereits bundesweit um 138.000 Menschen oder 39
       Prozent, so die Zahlen vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und
       Jugendberufshilfe (BIAJ).
       
       Vor Ort bei Quadriga in Hamburg beispielsweise fallen 25 "Quartiershelfer"
       weg, 1-Euro-Jobber, die Spielplätze warteten und Stadtteilfeste
       organisierten. Zudem wurden 25 Plätze für die Pflege des jüdischen
       Friedhofs gestrichen. Beim Hamburger Träger "Koala" verschwinden 30
       1-Euro-Jobs in der Tischlerei, wo Langzeitarbeitslose für Schulen
       Computerarbeitstische schreinerten und Spielgeräte herstellten. Beim
       Hamburger Beschäftigungsträger "Mook wat" sank die Zahl der 1-Euro-Jobber
       im Zuge der Sparmaßnahmen seit dem Jahre 2010 von 450 auf 84 Stellen,
       berichtet Projektleiter Klaus Meyer.
       
       Zur politischen Rechtfertigung der Sparvorgaben erklärte Arbeitsministerin
       Ursula von der Leyen (CDU), 1-Euro-Jobber seien "geradezu gefangen in ihrer
       Situation, vom sogenannten Einsperreffekt wird gesprochen". Man dürfe den
       Langzeitarbeitslosen die Chance auf einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt
       nicht "verbauen".
       
       Ein Gutachten zu Hamburg des Nürnberger IAB-Instituts der
       Bundesarbeitsagentur hatte in der Tat unlängst bemängelt, 1-Euro-Jobber
       würden durch die Maßnahmen unter Umständen davon abgehalten, sich eine
       Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt zu suchen. Die IAB-Gutachter betonten
       aber auch, dass die späteren Vermittlungserfolge je nach
       Beschäftigungsgesellschaft sehr unterschiedlich ausfielen. Bei den
       erfolgreichsten Trägern führten die Arbeitsgelegenheiten (1-Euro-Jobs)
       "schon nach drei Monaten zu besseren Beschäftigungschancen".
       
       Im Gutachten wurden die Namen nicht genannt – aber Mook wat gehört
       pikanterweise zu den gut bewerteten Trägern. Die Vermittlungsquote von
       1-Euro-Jobbern in den ersten Arbeitsmarkt lag 2010 bei 30 Prozent,
       schildert Mook-wat-Projektleiter Meyer. 1-Euro-Jobber, die in
       Senioreneinrichtungen weiterqualifiziert wurden, hätten beispielsweise
       anschließend Stellen als Servicekräfte oder Pflegeassistenten gefunden.
       
       ## Gründungszuschuss nur noch als Kann-Leistung
       
       Im kommenden Gesetz wird der Gründungszuschuss für Empfänger von
       Arbeitslosengeld I von einer Pflicht- in eine Kann-Leistung umgewandelt und
       damit großenteils gestrichen. Und das, obwohl ein IAB-Gutachten kürzlich zu
       dem Schluss kam, dass der Zuschuss "als gelungenes Förderinstrument"
       bezeichnet werden könne.
       
       Im Vermittlungsausschuss wird am Dienstag ein Einigungsvorschlag zum Gesetz
       verhandelt, der aber den Gründungszuschuss wie geplant als künftige
       Kann-Leistung festschreibt. Das Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig. Die
       Kürzungen beim Gründungszuschuss sollen im Januar, andere wesentliche
       Punkte ab April nächsten Jahres in Kraft treten.
       
       20 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
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