# taz.de -- Minderheitenrechte in Russland: Keine Versammlungsfreiheit für Homos
       
       > Ein Gesetz in Sankt Petersburg will öffentliche Auftritte von Schwulen
       > und Lesben mit Geldstrafen ahnden. Offiziell dient die Maßnahme dem
       > Jugendschutz.
       
 (IMG) Bild: Festnahme des russischen Homo-Aktivisten Nikolai Alexejew im September 2010 in Moskau. Das neue Gesetz für Sankt-Petersburg bezeichnete er als Schande.
       
       MOSKAU taz | Für Homosexuelle in Sankt Petersburg brechen jetzt noch
       härtere Zeiten an: Fast einstimmig verabschiedete die Stadtversammlung
       letzte Woche ein Gesetz, das die Versammlungsfreiheit von sexuellen
       Minderheiten weiter einschränkt. Demnach werden "öffentliche Aktionen", die
       Homo-, Bi- und Transsexualität propagieren, mit Geldstrafen von bis zu
       1.250 Euro geahndet.
       
       Wohl wissend, dass sie gegen die russischen Gesetze und internationale -
       von Russland unterzeichnete - Konventionen wie die UN-Menschenrechtscharta
       verstoßen, fügten die Initiatoren noch eine geschickt formulierte
       Einschränkung hinzu: Nur solche öffentlichen Aktionen sollen geahndet
       werden, denen Minderjährige ausgesetzt sein könnten. Um nicht international
       in die Schusslinie zu geraten, prangern sie auch nicht Homosexualität
       schlechthin, sondern deren öffentliche Zurschaustellung an.
       
       Die Initiative wird als Jugendschutzmaßnahme dargestellt. Da sich bei
       öffentlichen Veranstaltungen die Präsenz von Jugendlichen jedoch kaum
       verhindern lässt, kommt das Gesetz einem generellen Versammlungsverbot
       gleich. Dass das Gesetz vor allem auf die Kriminalisierung von Minderheiten
       abzielt, legt auch die Gleichsetzung von Homosexualität und Pädophilie im
       Gesetzestext nahe.
       
       Die Initiative ergriff der Abgeordnete Witali Milonow, der der
       Regierungspartei "Geeintes Russland" angehört und Amtsträger der
       ultrakonservativen russisch-orthodoxen Kirche ist. "Apostel Paulus ist eine
       größere Autorität als das Gesundheitsministerium", meinte Milonow. Er
       spielte damit darauf an, dass auch in Russland Homosexualität seit 1999
       offiziell nicht mehr als krankhafte Abweichung definiert wird. Bis 1993
       wurde gleichgeschlechtliche Liebe auch noch strafrechtlich verfolgt.
       
       Vertreter der Moskauer Schwulenbewegung vermuten, dass die Regierungspartei
       mit dem Gesetz kurz vor den Dumawahlen auf Stimmenfang gehen will. Denn
       Homophobie ist in der russischen Gesellschaft weit verbreitet. Nicht
       zufällig signalisierte auch die Vorsitzende des Oberhauses der Duma,
       Valentina Matwijenko, umgehend Zustimmung: Es sei zu überlegen, die
       regionale Initiative in ein föderales Gesetz zu verwandeln, sagte sie.
       
       Sankt Petersburg ist nicht die erste Kommune in Russland, die per Gesetz
       gegen Schwule vorgeht. Vorreiter war das Verwaltungsgebiet Rjasan in der
       Nähe von Moskau 2006; vor zwei Monaten verabschiedete auch der
       Nordmeerhafen Archangelsk ein Versammlungsverbot.
       
       Dem Berater des Föderationsrates, Issajew Kostojew, geht das Gesetz noch
       nicht weit genug. Er macht den Vorschlag, "ein Lager für Homosexuelle
       einzurichten, wo sie für immer leben, arbeiten und einander lieben können".
       Auch Wachen und Personal sollten aus dem "gleichen Milieu" stammen.
       Verschiedene Gruppen kündigten an, gegen das Gesetz vor dem Europäischen
       Menschengerichtshof in Straßburg zu klagen.
       
       25 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Helge Donath
       
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