# taz.de -- Parteitag der Grünen: "Jetzt fangen wir so richtig an"
       
       > Mehr Steuern für Reiche, weniger Subventionen: Die Grünen wollen ihre
       > Wirtschaftskompetenz demonstrieren. Schwarz-Gelb sehen sie
       > abgewirtschaftet. Cannabis soll legalisiert werden.
       
 (IMG) Bild: Ein bisschen Spaß muss sein: CLaudia Roth und Cem Özdemir.
       
       KIEL dpa | Mit einem Spitzensteuersatz von 49 Prozent und einer befristeten
       Vermögensabgabe wollen die Grünen staatliche Handlungsfähigkeit
       zurückgewinnen und die Schuldenlast in den Griff bekommen. Am Samstagabend
       beschloss der Bundesparteitag in Kiel mit großer Mehrheit eine Anhebung des
       Spitzensteuersatzes von derzeit 42 Prozent um sieben Prozentpunkte für
       Einkommen ab 80.000 Euro im Jahr.
       
       Zudem soll eine zeitlich befristete Vermögensabgabe eingeführt werden:
       Reiche sollen mit einem Beitrag von 1,5 Prozent auf das Vermögen zur Kasse
       gebeten werden. 100 Milliarden Euro sollen so über zehn Jahre dem Bund
       zugutekommen. Mittelfristig wird auch die Wiedereinführung einer
       Vermögenssteuer zugunsten der Länder angepeilt.
       
       Cannabis-Produkte sollen nach dem Willen der Grünen legalisiert und hoch
       besteuert werden. Dies soll zwei Milliarden Euro pro Jahr bringen. Mit
       großer Mehrheit beschlossen die Delegierten auch Forderungen für eine
       ökologische Wende in der Wirtschaft. Umweltfreundliche Produkte sollen
       durch grüne Industriepolitik gestärkt werden. Die Forschung in Unternehmen
       bis 250 Mitarbeiter soll steuerlich gefördert werden. Die Grünen fordern
       einen Mindestlohn von 8,50 Euro.
       
       ## Grüne wollen sich als Alternative empfehlen
       
       "Wir müssen eine solide und solidarische Finanzpolitik nach dem Motto
       organisieren: Starke Schultern tragen, was schwache nicht tragen können",
       sagte Fraktionschef Jürgen Trittin am Samstag vor rund 800 Delegierten in
       Kiel. Öko-soziale Reformen sollen die Wirtschaft umweltfreundlich machen.
       Mit diesem Programm will sich die drittstärkste Kraft in Deutschland als
       Alternative zur Koalition, aber auch zur SPD empfehlen und 2013 wieder an
       die Regierung kommen.
       
       Trotz Atomausstieg, Aussetzung der Wehrpflicht und Abschied von der
       Hauptschule seien Union und FDP im Kern reaktionär und rückwärtsgewandt, so
       Trittin. "Es reicht nicht, schwarze Mascara mit geklautem Grün zu
       ersetzen."
       
       Der Regierung und namentlich Unionsfraktionschef Volker Kauder warf Trittin
       fatale Fehler in der Euro-Krise und Arroganz vor. "Nachdem man über Wochen
       und Monate die Eurokrise durch Zögern und Zaudern verlängert und verteuert
       hat, ist der Herr Kauder zum Pöbeln und Kaudern übergegangen", sagte er mit
       Blick auf Kauders Aussage, in Europa werde auf einmal deutsch gesprochen.
       
       ## Rettungsschirm für FDP und CSU
       
       Die Koalition habe fünf Milliarden Euro an Großverdiener und an Hoteliers
       geschenkt. "Das ist nicht nachhaltig, das ist nicht deutsch, das ist
       einfach kommunalfeindlich und falsch", sagte Trittin. Auch die geplanten
       weiteren Steuerentlastungen seien grundverkehrt. "Jetzt wird der
       Rettungsschirm für die FDP und CSU gespannt", sagte Trittin. Das Programm
       der Grünen sehe Sparen Subventionsabbau und Einnahmeverbesserungen vor.
       Dafür fehle auch der SPD der Mut.
       
       Anträge etwa der Grünen Jugend auf weitergehende Steuererhöhungen wurden
       von der Mehrheit des Delegierten abgelehnt. Baden-Württembergs
       Ministerpräsident Winfried Kretschmann warnte vor einer Überlastung für die
       Wirtschaft. Der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen
       Handwerks, Holger Schwannecke, mahnte: "Überfordern Sie uns an dieser
       Stelle nicht."
       
       Plastiktüten sollen notfalls per Verbot abgeschafft werden. Als erster
       Schritt solle eine Umweltabgabe von 22 Cent für jede Tüte eingeführt
       werden. Das Ehegattensplittung soll abgeschmolzen, die Erbschaftssteuer
       erhöht werden. Geprüft werden soll, ob die Erbschaftssteuer in die
       Einkommenssteuer integriert wird. Die Gewerbesteuer soll zu einer
       kommunalen Wirtschaftssteuer ausgebaut werden, unter Einbeziehung von
       Selbstständigen, der freien Berufe und der land- und forstwirtschaftliche
       Betriebe.
       
       Die Abzugsfähigkeit von Gehältern soll auf 500.000 Euro beschränkt werden.
       Den Grundfreibetrag wollen die Grünen anheben. Sie wollen zudem eine
       Finanztransaktionssteuer einführen. Die Grünen wollen auch ein Konzept für
       eine neue Abgabe erarbeiten, die der Bildungsfinanzierung zugutekommen
       soll, den Bildungssoli.
       
       "Jetzt fangen wir so richtig an", sagte Fraktionschefin Renate Künast.
       Parteichef Cem Özdemir schwor die Grünen darauf ein, Partner für das Ziel
       einer "ökologisch-sozialen Marktwirtschaft" auch bei den Unternehmen zu
       suchen.
       
       Kretschmann setzte sich für einen "nationalen Konsens" bei der Suche nach
       einem Atomendlager ein. Um diesen zu erreichen, habe Gorleben offen
       gelassen werden müssen. Dagegen forderten die Grünen per Resolution einen
       sofortigen Baustopp in dem Salzstock. Kretschmann stimmte seine Partei auf
       eine mögliche Niederlage der Gegner des umstrittenen Bahnprojekts Stuttgart
       21 bei der Volksabstimmung am Sonntag in Baden-Württemberg ein. Der
       Konflikt sei schon ein Erfolg gewesen. Eine Basis für mehr
       Bürgerbeteiligung sei gelegt.
       
       27 Nov 2011
       
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