# taz.de -- Fußball-Bundesliga: Anleitung zum Unglücklichsein
       
       > Beim letzten Auftritt der Hinrunde im Olympiastadion spielt Hertha
       > engagiert - und verliert. Die Fans nervt die Debatte über die Zukunft von
       > Trainer Babbel
       
       Schwerwiegende Gründe zur Unzufriedenheit gab es nicht. Und was dennoch zu
       beanstanden gewesen wäre, wurde geflissentlich verschwiegen. Trotz der
       1:2-Heimniederlage gegen Schalke 04 war man bei Hertha nach dem letzten
       Hinrundenauftritt vor eigenem Publikum am Freitagabend sichtlich bemüht,
       das Positive hervorzuheben. "Fehler passieren", sagte Trainer Markus Babbel
       zu dem mangelhaften Defensivverhalten seines Teams bei den Gegentoren.
       Deshalb eine Abwehrdiskussion zu beginnen sei müßig, zumal man ja ansonsten
       lange hervorragend verteidigt hätte.
       
       Möglich wäre es auch gewesen, eine Sturmdebatte zu eröffnen. Hertha brachte
       beim Versuch, in der zweiten Halbzeit den Rückstand aufzuholen, nur ein
       Schüsschen von Pierre-Michel Lassoga zustande. Aber auch dieses Thema wurde
       nicht angerührt. Manager Michael Preetz sprach von einer bitteren
       Niederlage, da man ein Remis verdient gehabt hätte. Und Verteidiger
       Christian Lell resümierte gar: "Wir haben gut gespielt."
       
       Der Aufwand, den Hertha betrieb und den Babbel in dieser Saison schon
       mehrmals lobend hervorgehoben hat, war in der Tat auch bei diesem Spiel
       beträchtlich. Ein jeder warf alles in die Waagschale, um die individuell
       höhere Klasse der Schalker auszugleichen. Mit diesem Prinzip hat der
       Aufsteiger sich Respekt in der Liga und ein stabile Mittelfeldposition
       verschafft, auch wenn es eine Weile her ist, dass man das letzte Mal gewann
       - das war Ende Oktober. Alles bestens also, das sollten auch die betont
       zufriedenen Statements unterstreichen. "Wir sind eigentlich im Soll", sagte
       Mittelfeldspieler Peter Niemeyer.
       
       Trotz alledem steuert der Verein auf eine Krise zu. Pfiffe mischten sich im
       Olympiastadion unter zaghaftem Applaus, als vor dem Spiel der Name von
       Trainer Babbel fiel. Bis vor Kurzem wurde der 39-Jährige von den Fans
       verehrt. Für sie war er der Vater des Erfolgs, der Hertha zur Erstligareife
       heranführte. Bis zuletzt hat Babbel diese innige Liebe mit Erfolgen
       genährt. Dass er nun in die Schusslinie steht, gehört zu den
       absonderlichsten Kapiteln der Ligageschichte.
       
       Mit fußballerischem Sachverstand kommt man hier nicht weit. Vielmehr wäre
       hier ein Kommunikationswissenschaftler vom Format des verstorbenen Pal
       Watzlawick gefragt. Der hat mit "Anleitung zum Unglücklichsein" ein
       Lehrbuch geschrieben, mit dem man der Krise bei Hertha auf die Spur kommen
       könnte. Die Kommunikation nämlich hat sich rund um den Verein
       verselbstständigt.
       
       Der Ausgangspunkt allen Unglücks ist die weiterhin offene Frage, ob Babbel
       seinen im Sommer auslaufenden Vertrag verlängert oder nicht. Im Grunde ist
       das nichts Besonderes - auch beim Zweitligaspitzenreiter Fortuna Düsseldorf
       ist die Zukunft des Trainers noch nicht über die Saison hinaus geklärt. Zum
       Problem wurde nur, dass Babbel der Morgenpost Anfang November auf die
       Frage, wann er sich entscheide, antwortete: "In den nächsten zwei, drei
       Tagen oder in den nächsten zwei, drei Wochen. Ich habe mir da kein genaues
       Zeitfenster gesetzt." Die Zeitung schrieb fortan, Babbel hätte ein
       Zeitfenster von drei Wochen aufgemacht. Andere Medien übernahmen diese
       Interpretation. Mittlerweile gilt sie als Fakt.
       
       Nachdem Babbel diese Zeit verstreichen ließ, ohne sich zu entscheiden, wird
       ihm im Blätterwald eine Liaison nach der anderen angedichtet. Uli Hoeneß,
       der Aufsichtsratschef des FC Bayern München, dementierte bereits eine
       Babbel-Buhlschaft. Neuerdings wird er als Nachfolger des Schalke-Coachs
       Huub Stevens gehandelt. Dass Babbel nach der Winterpause noch in Berlin
       ist, wird bereits als unwahrscheinlich gehandelt.
       
       Den vielen Gerüchten begegnen die Vereinsführung von Hertha und Babbel mit
       Schweigen. Aber Watzlawick hat ja einst darauf hingewiesen: "Man kann nicht
       nicht kommunizieren." Jedes Minenspiel erzeugt derzeit ein mediales
       Gedankenspiel. Babbel flüchtet sich in Sarkasmus: "Es ist doch schön, wenn
       man interessant ist." Und er verweist auf sein Stehvermögen unter Druck:
       "Ich habe 16 Jahre Bayern München hinter mir."
       
       Doch spurlos wird diese Debatte an keinem vorbeigehen. Ob Babbel geht oder
       nicht, er wird den Ruf der Unzuverlässigkeit nur schwer abstreifen können.
       Und der Verein bleibt in der wenig attraktiven Rolle als ohnmächtiger
       Bittsteller in Erinnerung, auch wenn man nun Babbel bis zum Ende der
       Winterpause eine Frist gesetzt hat.
       
       11 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kopp
       
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