# taz.de -- Fragwürdige Anhörungen von Asylbewerbern: Allein im Raum mit der Kamera
       
       > Anhörungen von Asylbewerbern per Videokonferenz sind rechtlich
       > fragwürdig. Trotzdem will die Regierung sie nach einer Testphase nun
       > dauerhaft einführen.
       
 (IMG) Bild: Blick ins Leere: Einige Asylbewerber müssen allein vor einer Videokamera aussagen.
       
       BERLIN taz | Es sind Fälle wie die des Asylbewerbers Y., die stutzig
       machen. Der Flüchtling aus der Türkei hatte in Gießen um Asyl ersucht. Im
       Juli wurde er zu einer Anhörung geladen, die per Videokonferenz stattfinden
       sollte.
       
       Nur weil sein Anwalt Victor Pfaff prompt reagierte, wurde sie abgebrochen.
       Später stellte sich bei der persönlichen Anhörung heraus, dass Y. von
       Folter traumatisiert und nach mehrmonatigem Hungerstreik zu geschwächt war,
       um die Fragen der Behörde angemessen zu beantworten.
       
       Der Fall ging glimpflich aus, der Asylantrag von Y. wurde am Ende
       bewilligt. Wäre sein Anwalt nicht eingeschritten, hätte es aber auch anders
       kommen können. Denn ob die Behörde genau so entschieden hätte, wenn sie Y.
       per Videokonferenz angehört hätte, ist fraglich. Den Beamten wäre womöglich
       gar nicht aufgefallen, dass er auf bestimmte Fragen nicht antworten konnte
       – und hätten ihm dies zu seinem Nachteil auslegen können.
       
       Für die Bundesregierung haben sich die Asyl-Videoanhörungen jedoch bewährt.
       Sie hat im Herbst signalisiert, sie aus der Testphase in den Dauerbetrieb
       zu übernehmen. Der innenpolitischen Sprecherin der Linkspartei, Ulla
       Jelpke, liegt nun ein juristisches Gutachten vor, das sie beim
       Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags in Auftrag gegeben hat. Dieses
       kommt zu dem Ergebnis, dass es für solche Videoanhörungen eine neue
       gesetzliche Regelung bräuchte, sonst seien sie unzulässig. Eine interne
       Dienstanweisung allein reiche nicht aus.
       
       Über 48.000 Asylanträge wurden im vergangenen Jahr in Deutschland gestellt.
       Im November 2010 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in
       Nürnberg damit begonnen, einzelne Anhörungen per Videokonferenz
       durchzuführen, um Kosten zu sparen und für eine gleichmäßige Auslastung
       seiner vier Außenstellen zu sorgen.
       
       ## Wird eine Traumatisierung wirklich erkannt?
       
       Zwar sind Traumatisierte, Minderjährige und geschlechtsspezifisch Verfolgte
       grundsätzlich davon ausgenommen. Doch ob immer rechtzeitig erkannt wird,
       dass eine Traumatisierung vorliegt, kann niemand sagen. Von 140 Anhörungen,
       die bis Juli auf diesem Wege durchgeführt worden sind, wurde nur eine aus
       diesem Grund abgebrochen.
       
       Dabei schreibt das Asylverfahrensgesetz die "persönliche Anhörung" von
       Flüchtlingen ausdrücklich vor. Ob es diesen gesetzlichen Anforderungen
       genügt, Asylsuchende allein mit Kamera und Mikrofon in einem Raum zu
       lassen, ist umstritten.
       
       In einem Urteil zu Videoanhörungen in Zivil- und Strafverfahren hatte das
       Oberlandesgericht Frankfurt/Main befunden, solche Anhörungen würden die
       Ausdrucksmöglichkeiten der Betroffenen einengen, weil sie Ängste und
       Nervosität schürten.
       
       ## Pro-Asyl lehnt Videovernehmung ab
       
       Für Asylbewerber, die oft traumatisiert sind und sich nur per Dolmetscher
       verständigen können, dürfte dies umso mehr gelten.
       Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl lehnen Videoanhörungen von
       Asylbewerbern deshalb ab, auch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten
       Nationen (UNHCR) ist skeptisch.
       
       "Das Gutachten bestätigt, dass der Einsatz von Videokonferenztechnik
       rechtswidrig ist", kritisiert jetzt Jelpke. "Das Anliegen des Bundesamtes
       sollte ein möglichst effizienter Schutz Asylberechtigter sein - und nicht
       die möglichst effiziente Verwaltung staatlicher Ressourcen auf Kosten
       Asylsuchender." Sie fordert, den Einsatz dieser Technik sofort zu beenden.
       Vom Innenministerium war dazu bis Sonntag keine Stellungnahme zu erhalten.
       
       12 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
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