# taz.de -- Kolumne Fernsehen: Demnächst auch in Ihrem Möbelmarkt
       
       > Stewardessen präsentieren das Wetter in Bahrain, während Megamaschinen
       > Island fressen. Oder so ähnlich.
       
       Ein Bett wollte ich kaufen. Ich hatte nicht viel Geld. Also ging ich zu
       Möbel Kraft, einer Einrichtungskette der eher unteren Preiskategorie. Man
       kriegt hier Bettgestelle für 150 Euro, und damit der Einkauf zum Erlebnis
       wird, gibt es alles, was Ikea auch hat, bloß nachgebaut aus
       Pfeifenreinigern und buntlackiertem Pappmaché:
       
       Ein trostloses Kinderland, vor dem ein sprechender Baum steht, ein
       Restaurant ohne Fenster und eine kleine Kaffeebar. Dort trank ich einen
       Latte macchiato und guckte mir auf einem Flachbildschirm an, wie eine Frau
       in Stewardessenuniform eine Wettervorhersage präsentiert.
       
       Es lief N24. The Technikreportagensender-mit-Vormittagsnachrichtenstrecke
       formerly known as Vollzeitnachrichtensender. Es war irgendwie surreal.
       Warum das? Warum hier? Schnell vorm Sofakauf noch eine Reportage über den
       "Power Tower in Bahrain" geschaut? Sich beim Küche-Aussuchen über
       "Mega-Maschinen", die "Felsenfresser von Island" oder "Britanniens Brücken"
       informieren?
       
       Irritierend war aber nicht nur die Senderauswahl, sondern dass da überhaupt
       ein Fernseher war. Ich war ja nicht in den USA, wo selbst in besseren
       Restaurants Bildschirme über der Bar hängen und ich am Schalter des
       Alamo-Autoverleihs am Louis Armstrong New Orleans International Airport den
       pathostriefenden Auftakt der NFL-Saison mitverfolgen kann.
       
       In Deutschland haben nur ausgewählte Wirte ausrollbare Leinwände, die
       lediglich an Champions-League- oder "Tatort"-Abenden zum Einsatz kommen.
       Dazu zeigen allenfalls ein paar Banken und businessaffine Hotels n-tv,
       dessen Programm zu zwei Dritteln aus der "Telebörse" besteht.
       
       Das liegt natürlich auch daran, dass uns die Sender für so was fehlen: Die
       öffentlich-rechtliche Nachrichtenkompetenz verpufft im Dickicht zahlloser
       Sonderkanäle, die private Konkurrenz … nun ja: In der "Tagesschau" laufen
       gern mal übernommene Bilder von BBC, al-Dschasira und CNN. Können Sie sich
       vorstellen, dass umgekehrt im amerikanischen Fernsehen "Exclusive footage"
       von n-tv oder N24 gezeigt wird?
       
       Anfang Dezember wurde nun ein neues Pferd ins Nebenbei-Berieselungs-Rennen
       geschickt: Sky Sport News HD (das HD ist ein lustiger Zusatz, den Sie sich
       nicht merken brauchen, weil er bald obsolet ist; als hätte es damals "Tele
       5 in Farbe" oder "Pro7 mit Videotext" geheißen), kurz: SSN. Das ist
       natürlich keine deutsche Erfindung, in den USA gibt es schon seit 15 Jahren
       ESPNews - aber hey, immerhin.
       
       Was man von SSN im bisherigen Sendebetrieb erleben konnte, waren
       Sportnachrichten für ADHS- und Alzheimer-Kranke: Die immer gleichen News
       werden immer wieder aufs Neue abgefeuert und angeteasert. Angelegt sind die
       Sendestrecken auf eine halbe Stunde, gefühlt wiederholt sich alles im
       Fünfminutentakt. Zudem funktioniert SSN auch ohne Ton: unten gibt es eine
       Newsleiste, rechts eine Statistikbox, und die Bewegtbilder von Sportlern
       sind ohne Sprache eh meist schmeichelhafter.
       
       Ideal also für Wartebereiche, Flughafen-Lounges, Sportbars oder
       Fitnessstudios. Und demnächst auch in Ihrem Möbelmarkt.
       
       15 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Brake
       
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