# taz.de -- Aktivist über ägyptische Armee: "Militär muss Ausland nicht fürchten"
       
       > Gezielt wurden auf dem Tahrir-Platz Soldaten eingesetzt und Frauen
       > angegriffen, sagt der Aktivist Tarek Mustafa. Die Revolutionsbewegung ist
       > in der Bevölkerung isoliert.
       
 (IMG) Bild: Gesteigerte Brutalität: Auf Kairos Straßen prügelt nicht nur die Polizei, sondern auch das Militär.
       
       taz: Herr Mustafa, Sie waren die letzten zwei Tage bei den Kämpfen auf dem
       Kairoer Tahrirplatz dabei. Hat Sie überrascht, was geschehen ist? 
       
       Tarek Mustafa: Nein, es war vorhersehbar, dass dies früher oder später
       passieren wird und dass das Militär offen gegen die Revolutionsbewegung
       vorgehen wird. Aber das Ausmaß an Gewalt, das ich in den letzten zwei Tagen
       erlebt habe, von Gewalt, die nicht mehr abebbt, sondern immer brutaler wird
       - das habe ich nicht erwartet. Die Kämpfe gingen am Sonntag, den dritten
       Tag, ohne Unterbrechung weiter.
       
       Es war dieses Mal nicht die Polizei, die gegen Protestierende geschickt
       wurde - die Soldaten haben selbst angegriffen. 
       
       Das war nicht das Einzige, was neu war an den Angriffen seit Freitag.
       Schockierend war auch, dass ganz gezielt, ganz offen, ohne jeden Skrupel
       Frauen angegriffen wurden, dass die Armee alle möglichen Arten von
       genderbasierter Gewalt angewandt hat. Das zeigt, in welchem Ausmaß das
       Militär Frauen verachtet.
       
       Es zeigt aber auch, dass die Armee keine Angst mehr zu haben scheint: weder
       vor Reaktionen aus dem Ausland noch vor einem empörten Aufschrei in Ägypten
       selbst. 
       
       Das Militär braucht keine Reaktionen aus dem Ausland zu fürchten. Im
       Gegenteil, die Generäle haben jetzt eher grünes Licht bekommen, dass sie
       mit der Bewegung tun können, was sie wollen. Die USA unterstützen das
       Militär. Und im Land selbst? Da weiß das Militär, dass es die öffentliche
       Meinung hinter sich hat.
       
       Bekommt die breite Masse der Bevölkerung nicht mit, was passiert? Oder
       glauben sie der Propaganda im Staatsfernsehen? 
       
       Letzteres. Ich glaube, viele wissen, was vor sich geht. Aber sie glauben
       dem Staatsfernsehen, das gegen uns hetzt. Oder sagen wir lieber, sie haben
       sich entschieden, das zu glauben. Weil es einfacher für sie ist, das zu
       glauben, was sie in ihren gewohnten sicheren Bahnen belässt.
       
       Die Revolutionsbewegung ist also isoliert? 
       
       Ja, das würde ich so sagen. Ihr fehlt der Rückhalt der breiten Bevölkerung,
       von der immer noch große Teile an das Militär glauben. Sie denken, die
       Revolution ist vorbei. Für die sind wir Agenten, die aus dem Ausland
       bezahlt und gesteuert werden, die das Land zerstören wollen.
       
       Wird die Repression gegen die Revolutionsbewegung nachlassen, wenn eine
       neue Regierung gewählt ist? 
       
       Nein, ich glaube, es wird eher schlimmer werden. Die Regierung hat
       prinzipiell nichts zu sagen, nicht jetzt und nicht nach den Wahlen. Alle
       Entscheidungen werden vom Militärrat getroffen. Aber die Leute, die im
       Parlament und in der Regierung sitzen werden, sind gegen uns und gegen das,
       was wir jetzt tun. Alle, die der wirklichen Revolutionsbewegung, der
       Bewegung auf der Straße nahestehen, haben sich aus den Wahlen längst
       zurückgezogen.
       
       Ist die Situation fast ein Jahr nach der Revolution noch so schlimm wie
       vorher? 
       
       Die Situation ist nicht die gleiche, etwas hat sich schon verändert. Für
       mich kann ich nur sagen: Die Revolution hat uns geweckt, hat uns Raum
       gegeben, eine Chance, aus unseren gewohnten Blasen, Denkmustern und
       Sicherheiten auszubrechen. Wir haben begonnen, unseren eigenen Kampf zu
       kämpfen. Und das ist es wert, immer noch.
       
       Ist die Revolution, was die Politik angeht, gescheitert? 
       
       Die Militarisierung Ägyptens im letzten Jahr, das ist schlimm. Aber die
       Revolution ist noch nicht vorbei, daher lässt sich noch nicht sagen, ob sie
       gewonnen hat oder gescheitert ist. Wir haben noch einen langen Weg vor uns,
       wir stehen erst am Anfang. Und wir brauchen euch, wir brauchen die
       Unterstützung jedes einzelnen Menschen auf der Welt, der gegen das ist, was
       jetzt in Ägypten passiert. Die Stimme der Revolution soll überall da
       draußen zu hören sein, überall.
       
       19 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Juliane Schumacher
       
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