# taz.de -- Ungarisches Mediengesetz verfassungswidrig: Sie können auch anders
       
       > Ungarns oberstes Gericht hat wesentliche Teile des Mediengesetzes für
       > verfassungswidrig erklärt. Die Regierung will bald einen Teil der Richter
       > austauschen.
       
 (IMG) Bild: Die Fernsehjournalisten Aranka Szavuly und Balázs Nagy Navarro im Hungerstreik.
       
       In einem Akt unerwarteten Aufbegehrens hat Ungarns Verfassungsgerichtshof
       am Montag Teile des umstrittenen Mediengesetzes aufgehoben. Ein am Montag
       ergangener Spruch befand die Aufweichung des Informantenschutzes, die
       Modalitäten der Registrierungspflicht von Medien sowie schwammige
       Formulierungen hinsichtlich des Inhalts von Berichterstattung als
       verfassungswidrig.
       
       Das oberste Gericht reagierte damit auf eine Verfassungsklage der
       linksliberalen Tageszeitung "Népszabadság", die das Gesetz als gezielten
       Anschlag auf die Pressefreiheit sieht. Die Medienbehörde, die über die
       Einhaltung des Mediengesetzes wacht, äußerte sich nur in einem knappen
       Kommuniqué, in dem sie ihre Befriedigung zum Ausdruck brachte, dass der
       Verfassungsgerichtshof das Gesetz als Ganzes gutheiße und nur ein paar
       Verbesserungen in Detailfragen anrege.
       
       Iván Bedö, Redakteur beim angesehenen Wochenmagazin "HVG", zeigte sich
       überrascht über den Richterspruch. Auf die journalistische Arbeit werde er
       aber kaum Auswirkungen haben: "Dieses Gesetz ist da, um zu gegebenem Anlass
       benutzt zu werden. Bisher wurde noch kein Medium bestraft. Die
       Gleichschaltung der Presse funktioniert mit anderen Methoden." Etwa durch
       den Entzug staatlicher Inserate oder durch die Zentralisierung der Fernseh-
       und Radionachrichten.
       
       ## Köpfe mussten rollen
       
       Die Schaltstellen der Medienpolitik sind mit Marionetten des
       rechtspopulistischen Premiers Viktor Orbán besetzt, deren Entscheidungen
       gelegentlich ins Groteske ausarten. So wurde Anfang des Monats Zoltán
       Lomnici, der ehemalige Präsident des obersten Gerichtshofs, in plumper
       Manier aus einer Aufnahme herausretuschiert. Er war bei einem MTV-Interview
       mit dem Europaabgeordneten László Tökés im Hintergrund zu sehen gewesen.
       Lomnici gehört zu einer Anzahl von Personen, die nach Informationen der
       Internetzeitung index.hu in staatlichen Medien weder interviewt noch
       gezeigt werden darf.
       
       Balázs Nagy-Navarro, der stellvertretende Vorsitzende der Unabhängigen
       Gewerkschaft der Fernseh- und Filmemacher TFSZ, trat darauf mit zwei
       Kollegen in Hungerstreik: "Es kann so nicht weitergehen." Er selbst war
       2007 entlassen worden, weil er eine ähnliche Anweisung seiner Chefredaktion
       nicht befolgt hatte. Später konnte er auf dem Klageweg seine
       Wiedereinstellung erzwingen.
       
       Die Hungerstreikenden wurden zwar von der Polizei aus dem Portal des
       Fernsehgebäudes entfernt, doch der Versuch der Verantwortlichen, die
       peinliche Affäre mit der Maßregelung von Cuttern zu beenden, ging nicht
       auf. Dann rollten Köpfe: Dániel Papp, unter dessen Aufsicht die Fernseh-
       und Radionachrichten zentral erstellt werden, und Gábor Élö, Direktor der
       Nachrichtenredaktion von MTI, wurden gefeuert. Sie hätten sich "schwerer
       fachlicher Fehler schuldig gemacht", lautet die Begründung der
       Medienleitung. Dabei hatte sich Papp, der der rechtsextremen Jobbik nahe
       steht, für seinen Job durch die krude Manipulation eines Interviews mit dem
       EU-Abgeordneten Daniel Cohn-Bendit qualifiziert.
       
       Das Mediengesetz muss nach dem Willen der Verfassungsrichter bis Mai
       repariert werden. Mit 1. Januar tritt aber nicht nur die neue Verfassung in
       Kraft. Auch der Verfassungsgerichtshof wird durch Frühpensionierung von
       Richtern und personelle Erweiterung auf Regierungslinie gebracht.
       
       20 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Leonhard
       
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