# taz.de -- Studien zu gesunder Ernährung: Die Biomilch macht's
       
       > Biomilch ist offenbar nicht nur aus tierethischen und ökologischen
       > Gründen besser als konventionelle – sie hilft auch gegen Allergien und
       > Herzkrankheiten.
       
 (IMG) Bild: Vorbeugend gut gegen Neurodermitis und Asthma: Biomilch.
       
       Glückliche Kühe, grüne Almwiesen, Melken von Hand – das ist die romantische
       Vorstellung des Verbrauchers von der Milchproduktion, die jedoch kaum mit
       der Wirklichkeit übereinstimmt. Rund 70 Prozent der Milchkühe stehen das
       ganze Jahr über in Ställen, erhalten Kraftfutter aus Mais und Soja, das mit
       zahlreichen Vitaminen und Spurenelementen angereichert wird, weil die
       Genetik der modernen Tierrassen das mittlerweile verlangt. Zudem gelangen
       auch gentechnisch veränderte Pflanzen in den Futtertrog. Die Tiere werden
       schon als Kälber enthornt, da man sonst schwere Unfälle unter den
       eingepferchten Tieren fürchtet.
       
       Biobauern machen das vielfach anders. Ihre Kühe dürfen wesentlich häufiger
       auf grünen Wiesen grasen – 60 Prozent des Futters muss Heu oder Gras sein,
       als Kraftfutter dienen diverse Hülsenfrüchte, die zum Großteil vom eigenen
       Hof stammen müssen und auch nicht gentechnisch verändert sein dürfen. Zudem
       werden Kühe – meist auf Demeter-Höfen – nicht enthornt. All dies geschieht
       vor allem aus tierethischen und ökologischen Gründen.
       
       In jüngster Zeit häufen sich jedoch Studien, die der Biomilch auch ein
       größeres Gesundheitspotenzial bescheinigen. Erste Anhaltspunkte fand man in
       Langzeitstudien wie der Parsifal- oder Koala-Study. Hier zeigte sich, dass
       Bauernhofkinder und Kinder aus anthroposophischen Familien weniger Probleme
       mit Heuschnupfen, Neurodermitis oder Asthma haben. Ein Grund dafür ist
       einerseits, dass die Bauernhofkinder mit Tierhaaren, Staub und Schmutz aus
       dem Stall konfrontiert sind. In diesen verstecken sich Bakterien wie
       Staphylokokken- und Bacillus-Arten, hat die Münchner Wissenschaftlerin
       Erika von Mutius kürzlich aufgedeckt. Die könnten für eine Toleranz
       gegenüber Allergenen sorgen.
       
       ## Viel Raufutter
       
       "Aber auch die Ernährung und hier besonders die Milch scheint eine Rolle
       bei der Entwicklung von Allergien zu spielen", meint Gerhard Jahreis,
       Ernährungswissenschaftler an der Universität Jena. Menschen, die sich an
       die Lehren von Rudolf Steiner halten, trinken zum Beispiel nur Milch von
       Höfen, die biodynamisch wirtschaften, meist als Roh- beziehungsweise
       Vorzugsmilch.
       
       Diese Milch hat sich Ton Baars, Agrarwissenschaftler an der Universität in
       Kassel, gemeinsam mit seinem Kollegen aus Jena genauer angesehen.
       Tatsächlich belegen mittlerweile mehrere Studien, dass Kühe, die viel
       Raufutter bekommen, eine andere Milch geben, als die mit Kraftfutter
       aufgepäppelten Tiere. Vor allem die Fettsäureverteilung ist verändert. In
       Biomilch fand Baars ein Drittel bis doppelt so viel Linolensäure, eine
       Omega-3-Fettsäure, wie in konventionell erzeugter Milch. Studien der TU
       München haben gezeigt, dass in einem halben Liter ökologisch erzeugter
       Alpenmilch 300 Milligramm Omega-3-Fettsäuren stecken. Das ist rund ein
       Viertel des Tagesbedarfs. Omega-3-Fettsäuren werden vor allem
       herzschützende Eigenschaften nachgesagt. "Zudem liefert Biomilch mehr
       konjugierte Linolsäuren (CLA), vor allem die cis-9,trans-11-Linolsäure, die
       wahrscheinlich günstig auf das Immunsystem wirkt", so Jahreis.
       
       Der Wissenschaftler hat in einer Studie mit Mäusen gezeigt, dass Tiere mit
       CLA-Diät deutlich seltener Asthma entwickelten als die Kontrollgruppe. CLA
       verhinderte zumindest im Tierversuch die Bildung arterosklerotischer
       Plaques in den Gefäßen. Auch die fettlöslichen Vitamine E und D sowie das
       Provitamin A finden sich vermehrt in Milch von Öko- oder Berglandhöfen.
       
       ## Lieber nicht fettarm
       
       Wer fettarme Milch und Milchprodukte konsumiert, wie es die Deutsche
       Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, verzichtet jedoch auf diese
       Vorzüge. Jahreis plädiert darum für Biomilch in der Vollfettvariante: "Es
       gibt keinen Grund, Milchfett zu meiden. Aktuelle Studien zeigen, dass die
       gesättigten Fette aus der Milch das Risiko für Herzkrankheiten nicht
       erhöhen." Auch Katharina Scholz-Ahrens vom Max-Rubner-Institut in Kiel
       meint, dass die Zusammensetzung des Milchfetts günstiger ist als etwa die
       von industriell teilgehärtetem Pflanzenfett, das viele herzschädigende
       Transfettsäuren liefert. Darum könnten Normalgewichtige problemlos zu Milch
       und Milchprodukten der Vollfettstufe greifen.
       
       Einen Mehrwert der Biomilch sieht Scholz-Ahrens hingegen nicht: "Milch ist
       nicht die Hauptquelle für Omega-3-Fettsäuren oder fettlösliche Vitamine.
       Diese Nährstoffe bekommt man viel einfacher aus fettem Seefisch, Nüssen und
       Samen sowie guten Pflanzenölen."
       
       Wer trotzdem mehr gesunde Fette konsumieren will, sollte auf Biomilch
       umsteigen. Die Begriffe "Heumilch", "Alpenmilch" oder "Bergbauernmilch"
       sind nämlich nicht geschützt. "Das ist reine Augenwischerei", so Daniel
       Weiß, Agrarwissenschaftler an der Universität Weihenstephan. Auch ob
       Kräuter in der Milch geschmacklich nachzuweisen sind, wie das so manche
       Werbeschrift von Käsereien behauptet, sei bislang nicht erwiesen. Insgesamt
       ist die Weidehaltung in Deutschland rückläufig, wie aus einer Kleinen
       Anfrage der Grünen im Bundestag hervorgeht.
       
       Ebenfalls kontrovers wird diskutiert, ob sich "Genfutter" auf die
       Zusammensetzung und damit auf das Gesundheitspotenzial von Milch auswirkt.
       Tatsächlich findet man in der Milch je nach Futter möglicherweise auch
       Abschnitte der Erbsubstanz von gentechnisch veränderten Pflanzen -
       zumindest bei Ziegen wurde dies bereits nachgewiesen: "Es ist zwar nicht
       sehr wahrscheinlich, dass von diesen Genabschnitten ein Risiko ausgeht,
       aber abschließend untersucht ist diese Frage bislang nicht", sagt Christoph
       Then von Testbiotech. Auch kleine Genabschnitte könnten noch biologisch
       wirksam sein.
       
       "Das Thema Genfutter ist nicht das Problem der modernen Viehwirtschaft",
       glaubt hingegen Weiß. "Viel essenzieller wirkt sich das Füttern von
       Kraftfutter auf die Physiologie der Tiere und auch auf die Milchqualität
       aus." Auch er trinkt Biomilch, am liebsten als Rohmilch. Für Weidehaltung
       spricht außerdem: Raufutter drosselt den Ausstoß klimaschädlicher Gase in
       der Milchviehhaltung erheblich.
       
       Beim Thema Enthornung ist man sich dagegen einig: Das Entfernen der Hörner
       hat keinerlei Auswirkungen auf die Milchqualität. In der Szene kursieren
       nämlich Gerüchte, dass die Milch von Hörner tragenden Tieren vor allem für
       Laktoseintolerante bekömmlicher sei und als Allergieschutz tauge. Das
       Halten von Rindern mit Hörnern hat wiederum tierethische Hintergründe: Kühe
       mit Hörnern muss man mehr Platz gewähren - und den hat man auf der Weide.
       
       23 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kathrin Burger
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA