# taz.de -- Europäische Bankenkrise: Ran an die Reserven der Wikinger
       
       > Reykjavik soll für Icesave-Einlagen haften. Damit gibt es einen
       > Präzedenzfall für die Garantien von Einlagensicherungen der Geldhäuser in
       > EU-Staaten.
       
 (IMG) Bild: Per Volksentscheid kippten die Isländer breits zweimal die staatliche Schuldenübernahme der pleitegegangenen Bank Icesave.
       
       STOCKHOLM taz | Die Einlagensicherung für die Kreditinstitute eines Landes
       muss so ausgelegt sein, dass sie auch im Falle eines vollständigen
       Bankenkollaps die Guthaben aller Kunden absichert. Diese Forderung, die im
       Prinzip auf eine staatliche Bankengarantie hinausläuft, wird jetzt erstmals
       vor einem internationalen Gerichtshof verhandelt.
       
       Island ist der Testkandidat. Kürzlich flatterte der Regierung in Reykjavik
       eine Klage ins Haus, die die "EFTA Surveillance Authority" (ESA) vor dem
       EFTA-Gerichtshof in Luxemburg erhoben hat - einem übernationalen Gericht,
       das Streitigkeiten zwischen Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums EWR
       regelt, zu dem neben allen EU-Staaten auch Island, Norwegen, die Schweiz
       und Liechtenstein gehören.
       
       Das Problem: Kein EWR-Land dürfte die Garantieforderung erfüllen, gegen die
       verstoßen zu haben man Island nun vorwirft. Und kaum eines dürfte sie auch
       nur theoretisch erfüllen können. Das Verfahren könnte sich deshalb zu einem
       wichtigen Präzedenzfall über die Reichweite der Einlagensicherung in den
       EU-Staaten entwickeln.
       
       Der Streit dreht sich um Icesave, eine Internettochter der isländischen
       Privatbank Landsbanki, die vor allem in Großbritannien und den Niederlanden
       mit hohen Zinsen rund 340.000 SparerInnen gelockt hatte und im Herbst 2008
       zusammengebrochen war.
       
       ## Maximalbetrag 22.000 Euro
       
       Laut dem Kleingedruckten in den Verträgen der Anleger sollte für den Fall
       der Zahlungsunfähigkeit der Bank der isländische Bankengarantiefonds
       Tryggingarsjósur haften - bis zu einem Maximalbetrag von umgerechnet rund
       20.000 Euro. Das tat er auch.
       
       Und weil gleich alle drei Privatbanken des Landes gleichzeitig kippten und
       der Fonds sich deshalb als unzureichend erwies, musste der Staat über die
       isländische Bankengarantie einen Teil zuschießen. Doch angesichts der
       weltweiten Unruhe im Finanzsektor hatten die meisten europäischen Staaten
       im Herbst 2008 ihre Garantiezusagen für Spareinlagen massiv aufgestockt, um
       einen Run auf die Banken zu verhindern: Großbritannien auf 50.000 Pfund,
       die Niederlande auf 100.000 Euro.
       
       In dieser Höhe ersetzten sie auch die Icesave-Einlagen ihrer jeweiligen
       StaatsbürgerInnen. Und forderten dieses Geld, rund 3,8 Milliarden Euro plus
       Zinsen, von Reykjavik zurück. Nach langen Verhandlungen verabschiedete das
       isländische Parlament zweimal entsprechende Gesetze über diese
       Schuldenübernahme.
       
       Doch traten diese jeweils nicht in Kraft: Eine Mehrheit der IsländerInnen
       stoppte beide in Volksabstimmungen - zuletzt im April im vergangenen Jahr.
       Die ESA wirft Island nun vor, sich aus einer internationalen Verantwortung
       stehlen zu wollen. Die Rechtslage sei klar: Hätte es sich bei Icesave
       juristisch um eine Tochtergesellschaft mit Sitz in London oder Den Haag
       gehandelt, wären die dortigen Staaten und damit auch deren Bankenaufsicht
       für die Bank verantwortlich.
       
       ## Verantwortung für die Einlagengarantie
       
       Weil Icesave aber als bloße Landsbanki-Niederlassung konstituiert gewesen
       sei, trage die isländische Bankenaufsicht und der isländische Staat
       Verantwortung - auch für die Einlagengarantie. Und Island wird vorgeworfen,
       diese Garantie nicht ausreichend ausgelegt zu haben, um neben den
       Forderungen inländischer Landsbanki-KundInnen gleichermaßen auch die
       ausländischer Icesave-KundInnen ausreichend abzusichern.
       
       Island werde sich gegen diese Auslegung der Bankengarantie wehren, kündigte
       Ministerpräsidentin Jóhanna Sigursardóttir an. Die isländische
       Einlagensicherung habe den Prozentsatz umfasst, den die EU vorschreibe. Und
       sie stellte infrage, ob man in Brüssel wirklich einen Präzedenzfall
       schaffen wolle, der eine solch umfassende Staatshaftung für die Schulden
       privater Banken garantiert.
       
       Verliert Island, könnte es sich britischen und niederländischen Forderungen
       gegenübersehen, die mit mindestens 4,4 Milliarden Euro etwa dem halben
       jährlichen Bruttosozialprodukt des Landes entsprechen würden. Wie viel
       davon vom Konkursvermögen der pleitegegangenen Landsbanki gedeckt wird, ist
       nach wie vor unklar.
       
       Fraglich ist auch, wie London und Den Haag ihre Forderungen praktisch
       durchsetzen wollen, sollten vom Parlament beschlossene entsprechende
       Gesetze über Volksabstimmungen wieder gekippt werden. Ein
       Gerichtshofs-Urteil wird Ende des Jahres erwartet.
       
       2 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Steuerzahler
       
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