# taz.de -- Film-Remake von "Verblendung": Mikael Blomkvist entnerdifiziert
       
       > David Finchers Film-Remake von "Verblendung" ist so gut, dass die
       > Schwächen des Stoffs und die Klischeehaftigkeit des Buchs von Stieg
       > Larsson deutlich zutage treten.
       
 (IMG) Bild: Blomkvist, der Zweite: Daniel Craig, hier mit Filmpartnerin Rooney Mara alias Lisbeth Salander.
       
       Wir haben ihn geliebt, diesen Thriller. Es war eine hitzige Liebesaffäre,
       die Europa mit Stieg Larssons Werk hatte, als 2009 die erste Verfilmung von
       "Verblendung" herauskam. Sicher, die Bescheidwisser hatten die
       "Millennium"-Trilogie schon vorher gelesen, aber auch sie zeigten sich
       meist entzückt von Noomi Rapace düster-erotischen Verkörperung der Lisbeth
       Salander und der Möglichkeit, nun endlich mit Kenntnissen über den allzu
       früh verstorbenen Autor und sein antifaschistisches Engagement angeben zu
       können.
       
       Der Rest von uns fieberte sich zuerst durch die 152 Minuten des Films und
       bald darauf durch die rund 700 Seiten des Romans, gebannt, gefesselt,
       fasziniert - ohne recht zu wissen, warum und wovon eigentlich. Wer es nicht
       lassen konnte, machte weiter mit "Verdammnis" und "Vergebung" - in Buch-
       oder den minderwertigen Filmversionen - und erlebte statt Erleuchtung die
       stufenweise Entzauberung.
       
       In diese empfindliche Stimmung der Trennungsphase platzt nun David Finchers
       Remake hinein. Die Erwartungen sind dementsprechend gemischt: Einerseits
       regiert Skepsis, weil die große Liebe eben vorbei ist und sich das Erlebnis
       der atemlosen Spannung nicht beliebig wiederholen lässt, zumal Larssons
       Plotkonstrukt vom Ende her gedacht einen eher schalen Geschmack
       hinterlässt.
       
       Anderseits verspricht der Name des Regisseurs und seiner Besetzung einen
       Neuanfang, in den tatsächlich teuer investiert wurde. Es erscheint herzlos,
       dem keine Chance zu geben. Und wer weiß, vielleicht würde sich Fincher ja
       als der Richtige erweisen, dem es gelingt, Licht ins Dunkel unserer blinden
       Faszination zu bringen?
       
       ## Frauenmorde und Altnazis
       
       Ausgesprochen einnehmend wirkt zunächst, dass Fincher und sein
       Drehbuchautor Steve Zaillian dem Originalstoff so treu wie möglich zu
       bleiben versuchen. Nach wie vor spielt die Handlung um Frauenmorde,
       Altnazis und Sozialfürsorgevergewaltiger in Schweden und im gleichen
       zeitlichen Hin und Her zwischen 20. Jahrhundert und neuem Jahrtausend,
       völlig ohne Anpassung an eventuelle Befremdungsgefühle des
       US-amerikanischen Kinomarktes.
       
       Erkauft wird diese Treue zwar mit dem üblichen leicht bizarren Akzentgehabe
       des internationalen Ensembles, das offenbar für Lokalkolorit sorgen soll,
       aber zum Glück lässt sich Daniel Craig in der Hauptrolle des Reporters
       Mikael Blomkvist auf dieses Spielchen nicht ein und spricht sein übliches,
       vom britischen Hintergrund geprägtes Schauspielerenglisch.
       
       Daniel Craig ist es auch zu verdanken, dass sich die Geschichte noch einmal
       wie neu anlässt. Sein Blomkvist erscheint wie eine frisch hinzugekommene
       Figur und hat mit der von Michael Nyqvist im schwedischen Original nur
       wenig Ähnlichkeit. Die Persönlichkeitszüge, die sich im Buch oft wie
       Selbsterfüllungsfantasien eines Nerds lasen, sind größtenteils weggelassen:
       Blomkvist ist zwar ein attraktiver Mann, aber das muss nicht von allen
       auftretenden Frauen qua sexuelle Handlung bewiesen werden.
       
       ## Thrill der Unternehmung
       
       Die Verleumdungsverurteilung, die den Journalisten in den ersten Filmszenen
       ereilt, nimmt er mit dem verhaltenen Zynismus eines Branchenerfahrenen auf,
       der wusste, dass so ein Tag kommen würde - und der sich weniger über die
       Verhältnisse als über den eigenen Fehler ärgert. Überhaupt ist die
       Reporternatur hier seine dominierende Eigenschaft. Craigs Blomkvist ist
       einer, der recherchiert, wie der Spielsüchtige spielt: nicht um der
       Ergebnisse willen, sondern wegen des Thrills der Unternehmung. Weshalb er
       auch nicht lange zögert, als man ihm die Investigation einer vor 40 Jahren
       spurlos verschwundenen reichen Erbin anbietet.
       
       Auch Rooney Mara in der Rolle der Lisbeth Salander lässt ihre Vorläuferin
       verblassen, was im Fall von Noomi Rapace allerdings ein viel schwierigeres
       Unterfangen ist. Mit gebleichten Augenbrauen verstärkt Mara einerseits das
       Zombiehafte ihrer Figur, andererseits unterspielt sie das Punk-Element mit
       absolut klarem, planmäßigem Vorgehen.
       
       ## Journalisten-Held und Superhackerin
       
       Wie dieses eisern ver- und entschlossene Wesen schließlich mit dem coolen
       Reporter zusammenkommt, ist fast allein schon Thrillerstoff. Aber die
       notwendigen professionellen Glättungen, die Drehbuchautor Zaillian in
       Larssons ausufernder Handlung vorgenommen hat, bringen erst recht zu
       Bewusstsein, wie wenig zwingend diese Begegnung von Journalisten-Held und
       Superhackerin eigentlich ist.
       
       Trotzdem bilden das Highlight des Films, lange vor dem Actionshowdown, jene
       Szenen, in denen diese beiden in einem kalten Holzhäuschen mit
       Internetanschluss ihre unterschiedlichen Recherchefähigkeiten mittels
       Computerbildern in einem wahren Investigationsrausch zusammenfügen.
       
       Man könnte jetzt noch Finchers überlegene Regie, viele der Nebenrollen, die
       Ausstattung, den Schnitt, die Musik und vieles andere mehr anführen: Der
       Vorher-nachher-Vergleich fällt in eigentlich allen Aspekten für Fincher
       aus. Was perverserweise die Schwächen des Stoffs, die Klischee- und
       Fantasyhaftigkeit des Buches eben erst richtig entblößt. Zumal das Einzige,
       was Fincher eben nicht liefern kann, die Intensität des ersten Mals ist. So
       sind nun all jene zu beneiden, die noch nichts über das Mädchen mit dem
       Drachentattoo wissen!
       
       "Verblendung". Regie: David Fincher. Mit Daniel Craig, Rooney Mara u. a.
       USA 2011, 158 Min.
       
       11 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Schweizerhof
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Krimi
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Stieg Larssons „Millenium“-Trilogie: Wiedersehen mit Salander
       
       Die Krimireihe des verstorbenen Autors wird vom Ibrahimovic-Biografen David
       Lagercrantz fortgesetzt. Die frühere Lebensgefährtin Larssons zeigt sich
       entsetzt.
       
 (DIR) ARD gedenkt Herman Hesse: Selbstmörder und Ersatzgott
       
       Zum 50. Todestag Hermann Hesses zeigt die ARD die Literaturverfilmung "Die
       Heimkehr" und die Dokumentation "Hermann Hesse Superstar".
       
 (DIR) Roadmovie mit Umwegen: Konzentriert an der Sache vorbei
       
       Auf der Suche nach der Leiche: Nuri Bilge Ceylans Film "Once Upon a Time in
       Anatolia" sieht manchmal aus wie ein Krimi und läuft am Ende einfach
       weiter.
       
 (DIR) Krimis aus Skandinavien: Manchmal vögeln sie auch
       
       Der skandinavische Kriminalroman ist in die manische Phase gewechselt.
       Unter den Ermittlern haben Workaholics die Luschen aus dem 20. Jahrhundert
       abgelöst.
       
 (DIR) Schwedenkrimis in der ARD: Nord und Totschlag
       
       Sie kommen über die Welt wie einst die Wikinger: "Maria Wern, Kripo
       Gotland" (So., 21.45 Uhr, ARD) ist der jüngste Exportschlager und der erste
       nach Utøya.