# taz.de -- Havarie der "Costa Concordia": Kapitän steht unter Hausarrest
       
       > Francesco Schettino wurde nach einer dreistündigen Anhörung vor einem
       > italienischen Gericht Hausarrest auferlegt. In der Region wurde der
       > Notstand erklärt, um die Krise bewältigen zu können.
       
 (IMG) Bild: "Ich hatte das Kommando", räumte Francesco Schettino beim Haftprüfungstermin ein.
       
       ROM dpa | Der Kapitän des vor der italienischen Insel Giglio havarierten
       Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia", Francesco Schettino, wird unter
       Hausarrest gestellt. Das entschied die zuständige Richterin von Grosseto,
       Valeria Montesarchio, nach einer dreistündigen Anhörung des 52 Jahre alten
       Kapitäns am Dienstag, wie italienische Medien am Abend berichteten.
       
       Der Kapitän war auf Antrag der Staatsanwaltschaft am vergangenen Samstag
       festgenommen worden. Die Staatsanwälte hatten von Fluchtgefahr gesprochen.
       Schettino werden mehrfache fahrlässige Tötung, Havarie und Verlassen des
       Schiffes mitten in der Evakuierung vorgeworfen. Ihm drohen bei einer
       Verurteilung bis zu 15 Jahre Haft. Bisher wurden elf Leichen geborgen,
       zahlreiche Menschen wurden in der Nacht zum Mittwoch noch vermisst.
       
       Am Dienstag entdeckten Taucher im Wrack der "Costa Concordia" fünf Leichen.
       Die Toten - eine Frau und vier Männer - wurden am Dienstag im überfluteten
       Heckteil des gekenterten Schiffes vor der Insel Giglio gefunden,
       bestätigten ein Sprecher der Gemeinde und die Küstenwache. Wahrscheinlich
       gibt es auch deutsche Todesopfer.
       
       Gegen den Kapitän wurden neue, schwere Vorwürfe laut. So belegte ein
       Gesprächsprotokoll eine völlig chaotische Evakuierung. Der Kapitän gab
       jedoch an, nach der Kollision noch zahlreiche Menschen gerettet zu haben.
       
       ## Tausende Menschenleben gerettet
       
       "Ich hatte das Kommando", räumte der 52-Jährige bei dem Haftprüfungstermin
       ein, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Er habe das Schiff aber
       nicht aufgegeben, vielmehr mit dem Kurs nach der Kollision noch Hunderte
       oder Tausende Menschenleben gerettet.
       
       Veröffentlichte Gespräche zwischen Küstenwache und Kapitän belasten
       Schettino noch mehr: Sie könnten zeigen, dass er das Problem
       heruntergespielt, das Schiff tatsächlich verfrüht verlassen und die
       Passagiere sich selbst überlassen hat. Er soll sich auch mehrfach geweigert
       haben, an Bord zurückzukehren.
       
       Der 52-Jährige soll eigenmächtig die gefährlich nahe Route gewählt haben,
       um seinem von der Insel stammenden Oberkellner Antonello Tievoli die
       Möglichkeit zu geben, Giglio zu grüßen. Medienberichten zufolge hatte
       dessen Schwester auf dem sozialen Netzwerk Facebook angekündigt, dass die
       "Costa Concordia" bald ganz nah vorbeifahren werde. Es war nicht das erste
       Mal, dass ein Kreuzfahrtschiff zu nahe an die Insel kam.
       
       ## Keine Bestätigung für deutsche Opfer
       
       Eine Bestätigung dafür, dass ein deutsches Todesopfer identifiziert sei,
       gab es vom Außenministerium in Berlin zunächst nicht. Jedoch sagte der
       italienische Zivilschutzchef Franco Gabrielli: "Mir scheint, dass das am
       Montag geborgene Opfer deutscher Nationalität ist." Am Montag wurde die
       Leiche eines Mannes entdeckt.
       
       Der 290 Meter lange Kreuzer mit mehr als 4200 Menschen an Bord hatte am
       Freitagabend einen Felsen gerammt und war leckgeschlagen. Er liegt derzeit
       in starker Schräglage vor der Insel und droht abzurutschen und zu
       versinken. Naturschützer fürchten, dass Treibstoff das fragile Ökosystem
       weit über die toskanische Insel hinaus verschmutzt.
       
       Zwei bis fünf Wochen werde es dauern, die knapp 2400 Tonnen Treibstoff aus
       den 21 vollen Tanks der "Costa Concordia" zu pumpen, erklärte Max Iguera
       von der beauftragten niederländischen Bergungsfirma Smit Salvage. Am
       Mittwoch soll das Abpumpen des Öls vorbereitet werden.
       
       Die italienischen Behörden gehen davon aus, dass das Wetter bis Donnerstag
       gut bleibt. Die Rettungsarbeiten könnten auf jeden Fall solange fortgesetzt
       werden.
       
       ## Notstand erklärt
       
       Italiens Umweltminister Corrado Clini sagte, zur Bewältigung des Unfalls
       werde der Notstand erklärt. Es gehe darum, die knapp 2400 Tonnen Treibstoff
       so schnell wie möglich aus den Tanks des Schiffes zu holen. Die Reederei
       Costa Crociere müsse bis Mittwoch einen Plan für das Abpumpen vorlegen und
       innerhalb von zehn Tagen angeben, wie sie das gekenterte Schiff
       abtransportieren wolle. Clini befürchtet erhebliche Umweltschäden, sollte
       der Treibstoff auslaufen, zumal das Wrack in die Tiefe abrutschen und auch
       ganz versinken könnte.
       
       Auch Naturschützer befürchten Schlimmes: "Bei einem Austritt stellt das Öl
       eine tödliche Gefahr für Zehntausende Meerestiere dar, die in dem 1996
       gegründeten Nationalpark Toskanischer Archipel leben", so der
       Meeresschutzexperte Kim Detloff vom Naturschutzbund Deutschland. Der
       Umweltschutzbund WWF warnte: "Die Unglücksstelle liegt mitten im
       Pelagos-Meeresschutzgebiet. Das ist das wichtigste Walschutzgebiet im
       Mittelmeer. Da sind acht Walarten zu Hause, von Delfinen bis Pottwale oder
       Finnwale", sagte der WWF-Experte Jochen Lamp.
       
       Auch der materielle Schaden ist gewaltig. Möglicherweise müssen die
       Versicherer einen Schaden von mehr als einer halben Milliarde Euro
       einkalkulieren. Die Summe von 500 Millionen Euro könne leicht überschritten
       werden, berichtete die "Financial Times Deutschland" unter Berufung auf
       Versicherungskreise.
       
       ## Strengere Regeln
       
       Nach dem Schiffsunglück erwägt nun die EU-Kommission strengere Regeln für
       die Sicherheit auf Schiffen in der EU. Eine bereits laufende Überprüfung
       der Gesetzgebung für Passagierschiffe soll nun schneller abgeschlossen
       werden, sagte die Sprecherin von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas in
       Brüssel.
       
       Der Chef der US-Reedereigruppe Carnival, zu der Costa gehört, Micky Arison,
       zeigte sich am Dienstag betrübt, dass es Tote gegeben habe. Arison sprach
       den Familien der Betroffenen sein tief empfundenes Beileid aus. Er hoffe,
       dass das Unglück keine Auswirkungen auf die Umwelt habe werde, hieß es in
       einer Stellungnahme der Reedereigruppe in Miami (US-Bundesstaat Florida).
       
       18 Jan 2012
       
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