# taz.de -- Sanktionen gegen EU-Mitglieder: Werte der Gemeinschaft in Gefahr
       
       > Die EU-Kommission hat drei Schnellverfahren wegen Verletzung der
       > EU-Verträge gegen Ungarn eingeleitet. Wie die EU gegen ihre Mitglieder
       > vorgehen kann.
       
 (IMG) Bild: Seine Geduld mit Ungarn ist am Ende: José Manuel Barroso, Präsident der EU-Kommission.
       
       Wie kann die Europäische Union Mitgliedstaaten bestrafen? 
       
       Der Rat der Europäischen Union kann Sanktionen gegen ein EU-Mitgliedsland
       aussprechen. Er kann laut Artikel 7 des Vertrags von Lissabon beschließen,
       Gelder zu entziehen oder bestimmte Rechte auszusetzen. Dazu gehören auch
       die Stimmrechte des Landes im Ministerrat.
       
       Es ist eine komplizierte Prozedur: Nur wenn die übrigen Mitgliedstaaten
       einstimmig beschließen, dass das Verhalten eines Landes dauerhaft und trotz
       Warnung die Werte der Gemeinschaft gefährdet (unter anderem Menschenrechte,
       Demokratie, Rechtstaatlichkeit), kann das Ausschlussverfahren eingeleitet
       werden. Theoretisch kann ein zeitlich begrenzter Ausschluss immer weiter
       verlängert werden.
       
       Die anderen EU-Gremien können nichts tun? 
       
       Die Europäische Kommission als Hüterin des EU-Rechts kann Mitgliedsländer
       nur belangen, wenn gegen ein konkretes EU-Gesetz verstoßen wird. Dann kann
       sie ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten, was zu Strafzahlungen
       führen kann. Im EU-Vertrag fehlt ein Mechanismus, der es der Kommission
       oder dem EU-Parlament erlauben würde, aus grundsätzlichen Überlegungen
       heraus tätig zu werden. Das Parlament kann überhaupt nur recht wirkungslose
       Resolutionen verabschieden.
       
       Die Beteiligung von Jörg Haider in der österreichischen Regierung sorgte
       2000 für großes Entsetzen. Was unternahm die EU damals? 
       
       Wenn Länder der Gemeinschaft beitreten wollen, wird genau überprüft, ob sie
       die demokratischen Grundwerte akzeptieren und Menschenrechte respektieren.
       Ist ein Land erst einmal Mitglied, kann es machen, was es will. Der Entzug
       der Stimmrechte nach Artikel 7 des Vertrages ist eine recht theoretische
       Möglichkeit. Dieser Artikel greift auch erst, wenn der Rechtsweg im
       betroffenen Land ausgeschöpft ist.
       
       Als im Jahr 2000 die Konservativen eine Regierungskoalition mit Jörg
       Haiders rechtsextremer FPÖ bildeten, einigten sich die übrigen
       EU-Mitgliedstaaten deshalb bilateral - also außerhalb des EU-Rechts -, alle
       politischen und diplomatischen Beziehungen zu der Alpenrepublik
       vorübergehend einzustellen. Innerhalb der Verträge hatten sie für eine
       solche Maßnahme keine rechtliche Grundlage gefunden. Nach diesem Fall wurde
       Artikel 7 zwar leicht verschärft, aber dennoch nie angewendet.
       
       Kann die EU Ungarn im letzten Schritt auch aus der EU rausschmeißen? 
       
       Nein. Angst vor einem Rausschmiss muss kein Land haben. Ein Land kann nur
       freiwillig aus der EU austreten. Geregelt wird auch das im Vertrag von
       Lissabon. In Artikel 50 heißt es: "Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit
       seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Union
       auszutreten." Bisher hat das noch kein Land getan.
       
       18 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ruth Reichstein
       
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