# taz.de -- Kommentar Genozid-Gesetz Frankreich: Rückschlag für die Armenier
       
       > Frankreichs Parlament hat entschieden, die Leugnung des Völkermordes an
       > den Armeniern unter Strafe zu stellen. Da stellt sich die Leninsche
       > Frage: Wem nützt es?
       
       Wem nützt die Abstimmung im französischen Parlament, die die Leugnung des
       Völkermords an den Armeniern unter Strafe stellt? Wer darauf antwortet:
       "der Wahrheit", ist bestenfalls politisch naiv, tatsächlich aber wohl vor
       allem ein Heuchler. Drei Monate vor den französischen
       Präsidentschaftswahlen nützt das Gesetz vor allem Herrn Sarkozy, der hofft,
       damit die rund 500.000 Stimmen armenisch-stämmiger Franzosen für seine
       Wiederwahl zu gewinnen, was er angesichts der letzten Umfragen offenbar
       dringend nötig hat.
       
       Es mag auch den Dünkel vieler Franzosen unterstützen, die immer noch
       glauben wollen, ihr Parlament sei der Hort der Menschenrechte überhaupt,
       aber damit endet auch schon die Liste. Ob das Gesetz den Armeniern nützt,
       darf dagegen stark bezweifelt werden. Auch wenn sich der armenische
       Außenminister gestern Nacht geradezu euphorisch äußerte: Was Armenien
       braucht, sind keine schönen Worte aus Paris, sondern eine Verständigung mit
       der Türkei. Und die dürfte mit dem neuen Gesetz in Frankreich erst einmal
       wieder in weite Ferne gerückt sein.
       
       Die türkische Regierung und allen voran Ministerpräsident Tayyip Erdogan
       fühlt sich von Frankreich und Sarkozy in die Ecke gedrängt und schlägt nun
       wild um sich. Trotz und verletzter Stolz aber sind eine schlechte Basis für
       Kompromisse und Versöhnung. Das gilt sowohl für das türkisch-armenische
       Verhältnis wie auch für die Beziehungen der Türkei zu Frankreich und Europa
       insgesamt.
       
       Am schlimmsten aber ist das französische Gesetz für diejenigen Türken, die
       seit Jahren in der Türkei gegen das Verbot angehen, mit dem das Reden über
       den Völkermord im Land der Täter belegt ist. Sie hatten bislang das
       Argument auf ihrer Seite, dass das Denk- und Diskussionsverbot über das
       Schicksal der Armenier im Osmanischen Reich, demokratischen Verhältnissen,
       die ja angeblich auch die Regierung anstrebt, zutiefst widerspricht.
       Frankreich zeigt nun, dass das nicht so ist.
       
       Das Mutterland der Menschenrechte stimmt für Denk- und Diskussionsverbote
       und leistet der Aufklärung damit den denkbar schlechtesten Dienst. Wenn das
       Gesetz tatsächlich dazu beiträgt, dass Sarkozy wiedergewählt wird, können
       sich seine Befürworter auch noch die fortschreitende Entfremdung zwischen
       der Türkei und Europa gutschreiben.
       
       24 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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