# taz.de -- Nachruf Carl Weissner: Der Mann, der Bukowski erfand
       
       > Er war immer gut für ein offenes Wort zur sozialen Lage und einer, der so
       > gut zuhörte, das man danach sein Leben ändern musste. Zum Tod von Carl
       > Weissner.
       
 (IMG) Bild: Er hatte diese klassische US-Freundlichkeit: Carl Weissner.
       
       Wenn man Carl Weissner begegnete, kam man sich klein und schwach vor: an
       physischer wie künstlerisch-sprachlicher Statur, an Durchhaltevermögen in
       langen Nächten des mal fröhlichen mal erbitterten Trinkens, aber vor allem
       an schriftstellerischer Haltung.
       
       Schon seinen mit der bösen Welt hadernden Freund Jörg Fauser hatte Weissner
       seit den späten 1960ern immer wieder mit der Wahrheit konfrontiert, dass
       jenseits der sozial-liberalen Kuschelecke BRD ganz andere Welten
       existierten, Welten, wo tuberkulöse Dichter in kaputten Appartements vor
       der Schreibmaschine hocken, sich die letzten verfaulten Zähne aus dem Mund
       pulen und doch nur an eines denken: Jeden Tag ein Gedicht.
       
       Das kam natürlich von Bukowski, Weissners engem Freund, dem literarischen
       Weltstar. Die erste offizielle Meldung von Carl Weissners Tod (Jahrgang
       1940) las man dann auch bei den italienischen Rai News, also aus dem Land,
       wo der Mann mit der Ledertasche vielleicht noch populärer wurde als in
       Deutschland.
       
       Weissner erfand Bukowski, auf Deutsch, um ihn dann in die Staaten und die
       ganze Welt zu reimportieren. Er war zugleich europaweiter Agent des dirty
       old man. Wie bei Burroughs und Ginsberg und Algren und Ballard und Dylan
       und Zappa: Man tut bei der US-Avantgarde seit Mitte der 1950er-Jahre immer
       gut daran zu fragen: Wen hat Carl Weissner eigentlich nicht übersetzt oder
       herausgegeben – das ist am einfachsten.
       
       ## "Du musst dir die Kugel geben"
       
       Wenn Weissner nicht unterwegs war – in New York, San Francisco und Paris,
       in Wien, wo der Milena-Verlag zuletzt seine eigenen Roman herausbrachte –
       lebte er in Mannheim. Zurückgezogen, wenn man so will. Was nicht zuletzt
       daran lag, dass Weissner immer gut war für ein offenes Wort zur sozialen
       Lage und sich nicht scheute, die Großschriftsteller dies- und jenseits des
       Atlantiks als wuselige Stilblütenfabrizierer zu kennzeichnen.
       
       Weissner machte das aber nicht zum teutonisch verbitterten
       Kleinschrifsteller. Er hatte diese klassische US-Freundlichkeit, schien
       immer ausgeschlafen und austrainiert, hatte einen Blick für gute Gesichter,
       war ein Mensch, dem du nicht ewig ein Ohr abkauen kannst, aber der dir zehn
       Minuten so genau zuhört, das du danach dein Leben ändern musst (die
       Urfassung dieses Spruchs, erzählt Weissner in seinem Roman "Manhattan
       Muffdriver", hieß: "Du musst dir die Kugel geben.")
       
       "Am Tag der Beerdigung, es ist Montag der vierzehnte, erlebt
       
       Südkalifornien mit 25 Grad eine frühe Hitzewellle." An diesem Tag im
       
       März 1994 wird Charles 'Hank' Bukowski beerdigt, Sargträger u. a.
       
       Weissner und Sean Penn.
       
       Weissner erzählt: "'Carl, sagt Woody, hat in Santa Anita auf einen krassen
       Außenseiter
       
       gesetzt'.
       
       'Zu Ehren von Hank', sagt Sean Penn.
       
       'Nein', sage ich, 'um zu gewinnen.' '
       
       Das ist die richtige Einstellung', meint er.
       
       Ringsum wird genickt.
       
       Ach, hätte ich doch bloß nichts gesagt."
       
       So ist das mit Nachrufen. Am 24. Januar ist Carl Weissner in Mannheim
       gestorben.
       
       25 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ambros Waibel
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Jörg Fauser
       
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