# taz.de -- E-Book Bibliotheksverbund "Onleihe": "Es wird andere Verleihmodelle geben"
       
       > Hunderte Bibliotheken beteiligen sich an einem Internet-Verleihmodell.
       > Jörg Meyer, Chef des Onleihe-Unternehmens DiViBib, erklärt, wie "Onleihe"
       > funktioniert.
       
 (IMG) Bild: Nutzungserlaubnis auf Zeit. Konkurrenz für Amazon?
       
       taz.de: Herr Meyer, mit "[1][Onleihe]" versuchen die deutschen
       Bibliotheken, ihr Angebot auch auf das Internet auszudehnen. Ist das
       angesichts des Trends zu günstigen E-Books eine Art von
       Überlebensstrategie? 
       
       JÖRG MEYER: E-Books sind in Deutschland derzeit preisgebunden, deswegen
       sind sie nicht günstig oder teuer. Ich würde sie eher als praktisch
       bezeichnen, da der Nutzer eines E-Mediums dieses zu jeder Zeit und
       ortsunabhängig herunterladen und nutzen kann. Öffentliche Bibliotheken
       möchten diese neue Medienart - neben Büchern, Audio, Video oder Musik -
       ihren Nutzern ebenfalls anbieten, wenn diese danach fragen.
       
       Wie funktioniert das Modell? Bei einer physischen Bibliothek gibt es eine
       gewisse Anzahl Bücher, die verliehen werden - danach ist Schluss. Die
       digitale Kopie lässt sich, jedenfalls dann, wenn der Kopierschutz
       mitspielt, beliebig oft anfertigen. 
       
       Wir haben das Modell der physischen Ausleihe in die digitale Welt
       übertragen. Eine erworbene Kopie eines E-Mediums berechtigt zu einer
       zeitlich befristeten Ausleihe. Nach Ablauf steht das Medium einen neuen
       Nutzer zur Verfügung. Dies ist die Regel, die eine gerechte Vergütung der
       Lizenzgeber berücksichtigt. Wir respektieren zu 100 Prozent die mit den
       Verlagen geschlossenen Verträge.
       
       Ist es schwierig, die notwendigen Rechte einzuwerben? 
       
       Als es 2007 los ging, war viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Inzwischen
       ist diese Medienart auch für die Verlage wichtig geworden. Allerdings wird
       kein Verlag mit uns einen Vertrag schließen, wenn wir eine kostenfrei
       Distribution seiner Lizenz im Netz zulassen würden. Heute zählen so große
       Verlagshäuser wie Random House, Campus, Hanser, Langenscheidt, Süddeutscher
       Verlag, etc. zu unseren Lieferanten.
       
       Wie viele Bibliotheken machen bei Onleihe mit? Kostet der Dienst die Häuser
       so viel wie das Anschaffen "echter" Bücher? 
       
       Derzeit sind es 350 Bibliotheken. Bis Ende 2012 hoffen wir 550 bis 600
       Bibliotheken am Netz zu haben. Der Preis für E-Books richtet sich nach dem
       vom Verlag festgelegten Preis.
       
       Und was zahlt der Nutzer? 
       
       Die Kosten für die Nutzer legt jede Bibliothek im Rahmen ihrer gültigen
       Gebührenordnung fest. Unser Kunde ist ausschließlich die Bibliothek.
       
       Wie gehen Sie mit Kompatibilitätsproblemen um? Wird für jede Plattform ein
       eigenes Leseprogramm benötigt? 
       
       Es existiert ein Kompatibilitätsproblem auf den Endgeräten, aber nicht auf
       unserer Plattform. Glücklicherweise arbeiten die meisten Systeme mit dem
       E-Book-Format des Softwareherstellers Adobe, mit Microsofts Media-Player
       oder eben den Apps für die Apple- und Android-Welt. Wir versuchen, mögliche
       Änderungen zu antizipieren und rechtzeitig anzubieten. Die
       Überallnutzbarkeit ist wichtig für den Erfolg des Modells.
       
       Der E-Commerce-Riese Amazon hat in den USA bereits einen Leihdienst für
       seinen E-Book-Dienst Kindle im Angebot. Man kann sowohl Bücher, die man
       besitzt, an andere Nutzer verleihen, als auch auf eine Bibliothek
       zugreifen. Macht das die Bibliotheken kaputt? 
       
       Das Amazon-Angebot ist sicher eine große Herausforderung. Allerdings will
       Amazon mit dem Verleihmodell immer Geld verdienen. Das Angebot der
       Bibliotheken ist im Rahmen der normalen Gebührenordnung für den Nutzer
       attraktiver im Preis. So wie es heute Bibliotheken und Buchhandlungen gibt,
       so wird es auch morgen Bibliotheken und Amazon und andere Verleihmodelle
       geben. Amazon ist im Übrigen auch nur ein Buchhändler.
       
       Selbst Amazon hat in den USA Probleme, genügend Rechte zu erwerben. Geht
       der Trend dazu, dass die Verlage das Leihgeschäft selbst abwickeln? 
       
       Wir verhandeln derzeit ausschließlich Rechte für den Verleih über
       Bibliotheken nach dem oben beschriebenen Modell. Neue Lizenzmodelle werden
       sicher in den nächsten Jahren entwickelt werden. Entscheidend ist, was die
       Verlage zulassen wollen und wie ökonomisch attraktiv das Lizenzmodell für
       die Rechteinhaber sein wird.
       
       Onleihe ist ein zentralisierter Dienst. Ist das Angebot jeder teilnehmenden
       Bibliothek gleich? 
       
       Nein, jede Bibliothek entscheidet selbst, welches E-Medien-Profil sie ihren
       Nutzern zur Verfügung stellen möchte und welche Medien sie dann erwirbt.
       Nur die von ihr erworbenen Medien stehen den Nutzern dieser Bibliothek zur
       Verfügung.
       
       Sie verleihen auch Zeitschriften und Zeitungen. Wie funktioniert das? 
       
       Natürlich arbeiten die Verleger auch hier mit uns zusammen. Mit allen gibt
       es gültige Verträge. Im Prinzip funktioniert es wie bei einem E-Book -
       lediglich die Ausleihdauer ist wesentlich verkürzt. Dies ist verständlich
       wegen der Wichtigkeit der Aktualität.
       
       30 Jan 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.onleihe.net/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ben Schwan
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
       
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