# taz.de -- Wahlkampf in Russland: Wladimir Putin entdeckt die Korruption
       
       > Der Premier kritisiert den Zustand der Wirtschaft und mahnt Veränderungen
       > an. Das ist auch eine Breitseite gegen Noch-Präsident Medwedjew.
       
 (IMG) Bild: Korruption eignet sich auch prima als Thema für Wahlkampfveranstaltungen: Regierungschef Wladimir Putin vor Publikum.
       
       MOSKAU taz | Russlands Premier Wladimir Putin tut weiter so, als würde er
       Wahlkampf machen. Am Wochenende legte er die dritte Folge seines Programms
       als Präsidentschaftskandidat vor. In der Wirtschaftszeitung Wedomosti
       sprach sich der Ministerpräsident für eine "neue Ökonomie" aus. Russland
       könne sich keine Wirtschaft leisten, die weder Stabilität, Souveränität,
       noch Wohlstand garantiere.
       
       Hatte sich der Kremlkandidat noch im ersten Wahlbeitrag seiner
       wirtschaftlichen Erfolge gerühmt, gelangt Putin im letzten Artikel "Über
       unsere ökonomischen Aufgaben" zu eher deprimierenden Einsichten. Die
       russische Wirtschaft sei für in- und ausländische Investoren kaum
       attraktiv. Einer der Hauptgründe sei die "systemische Korruption". "Wenn
       wir die Dinge beim Namen nennen, handelt es sich um ein korruptes System",
       schreibt Putin und beklagt sowohl den "Mangel an Transparenz" als auch die
       "fehlende Kontrolle von Beamten" im Justizwesen, bei Finanzämtern und in
       den staatlichen Sicherheitsorganen. "Der Staat selbst, die Exekutive und
       das Justizwesen" müssten verändert werden, so Putin.
       
       Präsident Dmitri Medwedjew hatte bei Amtsantritt vor vier Jahren den Kampf
       gegen Korruption zu einer der wichtigsten Aufgaben des Kremls erklärt.
       Wladimir Putin stellt seinem Ziehsohn nun jedoch ein schlechtes Zeugnis
       aus. "Erkennbaren Fortschritt hat es nicht gegeben", meint Putin mit einem
       Seitenhieb auf den vorübergehenden Ersatzmann.
       
       Dass Dmitri Medwedjew den Präsidentschaftskandidaten nur halbherzig
       unterstützt, sorgt im Putin-Lager für Verstimmung. Der angeschlagene
       "nationale Lider" deutet überdies an, dass die Rolle des Staates in der
       Wirtschaft zurückgeschraubt werden müsse.
       
       Auch die Abhängigkeit der russischen Volkswirtschaft von den Erlösen aus
       dem Rohstoffsektor entspräche nicht Anforderungen einer modernen
       Wirtschaft. Verbirgt sich dahinter ein Plädoyer für eine diversifizierte
       Ökonomie?
       
       ## Modernisierung würde Putinismus aufs Spiel setzen
       
       Die Diskussion über Modernisierung in Wirtschaft und Teilbereichen des
       Staates hatte Dmitri Medwedjew bereits angestossen. Sie gelangte aber nicht
       über die Anfangsphase hinaus. Putins Ausführunen enthalten auch nichts
       Neues, fallen sogar noch dahinter zurück.
       
       Würde Russland eine Modernisierung in Angriff nehmen, stünde das archaische
       Modell des Putinismus auf dem Spiel. Das versucht der
       Präsidentschaftskandidat jedoch mit allen Mitteln zu verhindern.
       
       Die überbordende Rolle des Staates in der Wirtschaft, die korrupte
       Verflechtung der staatlichen Institutionen, ineffektive Verwaltung und
       fehlende Rechenschaftspflicht der Bürokratie sind direkte Folgen der
       autoritären Vetternpolitik Wladimir Putins seit 2000. Kritiker fragen denn
       auch, wie und mit welchen Kräften der Kremlchef in spe den Um- und Abbau
       seines Systems bewerkstelligen will. Es sieht eher danach aus, als wolle
       Putin seinen Kopf retten, ohne etwas ändern zu müssen.
       
       So ist der Text auch mit Modalverben wie "sollen" und "müssen" überladen.
       Der Kremlkandidat will sich nicht festlegen. Bislang protestierte die neue
       Mittelschicht auf der Strasse. Inzwischen regt sich Unmut auch in Kreisen
       der politischen Führung. Auf dem Wirtschaftsforum in Davos hätten sich
       russische Spitzenbeamte und führende Geschäftsleute "öffentlich in
       Selbstgeisselung geübt", kommentiert die Zeitung Nesawissimaja Gaseta. Die
       politischen Defizite des Systems seien offen benannt worden. Sind das
       womöglich "Anzeichen einer Ernüchterung der Elite?" fragt das Blatt.
       
       30 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Helge Donath
       
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