# taz.de -- Kosten der Atomkraft in Frankreich: Im Kern falsch gerechnet
       
       > Von wegen billig: Der oberste Rechnungshof Frankreichs legt dar, dass die
       > angeblich so günstige Atomenergie wesentlich teurer ist als bisher
       > angenommen.
       
 (IMG) Bild: Französische Pferdestärken gegen Atomkraft. Geht's noch billiger?
       
       Frankreich setzt seit Jahrzehnten unverdrossen auf Atomenergie, doch erst
       jetzt hat die Regierung die Kosten dafür offengelegt. Der Oberste
       Rechnungshof schafft mit einem 400-seitigen Bericht, der bisher unbekannte
       Zahlen enthält, erstmals Transparenz.
       
       Erstmals erfahren die Franzosen, dass die Forschung, Entwicklung und der
       Bau der Atomreaktoren, die heute mehr als 75 Prozent der französischen
       Elektrizität liefern, seit den 50er Jahren den Staat und die
       Energieindustrie die stattliche Summe von 188 Milliarden Euro gekostet
       haben.
       
       Für Industrieminister Eric Besson ist dadurch der Beweis erbracht, dass der
       Bevölkerung in Sachen Atom "nichts verborgen" werde. Allein der Bau der 58
       heute laufenden Reaktoren verschlang 83,2 Milliarden Euro. Da der Staat
       seit 1981 keine direkte Subvention zahlt, hat der staatliche Konzern
       Electricité de France (EDF) zur Weiterentwicklung der Reaktoren 46
       Milliarden Euro durch Anleihen finanziert.
       
       ## Kein Geld für Folgekosten
       
       Diese Investitionen konnten durch den Verkauf von Elektrizität zwar zu 75
       Prozent amortisiert werden. Allerdings gibt es kaum Rückstellungen für die
       Folgekosten, zum Beispiel neue Schutzmaßnahmen oder Endlagerung.
       
       "Die 400 Seiten belegen das Ende vom Mythos des billigen Atomstroms", meint
       dazu in der Tageszeitung Libération der grüne Abgeordnete im
       Europaparlament Yannick Jadot: "Der Bericht schätzt den eigentlichen
       Entstehungspreis der Kilowattstunde auf 50 bis 56 Cent, wenn man die
       Forschungskosten einbezieht. Das ist weit mehr als der von EDF in Rechnung
       gestellte Tarif. Dieser ist nur deshalb günstiger, weil er vom Staat
       festgelegt wird."
       
       Auch der Rechnungshof ist der Ansicht, dass EDF zum Beispiel für die
       Demontage der bestehenden Anlagen mit mindestens dem Doppelten der bisher
       vorgesehenen 18,4 Milliarden rechnen müsste, was Elektrizität für die
       Verbraucher um mindestens 5 Prozent verteuern würde. Hinzu kommen noch
       schwer kalkulierbare langfristige Ausgaben für Müllentsorgung oder
       Endlagerung.
       
       Bis zum Jahr 2020 haben 22 Reaktoren ihre Altersgrenze von 40 Jahren Dauer
       erreicht. Soll Frankreich sie durch neue Anlagen vom Typ EPR ersetzen? Das
       ist laut des Berichts nicht nur finanziell sehr aufwendig, sondern auch von
       den industriellen Kapazitäten her kaum zu realisieren. Billiger wäre es
       allemal, wie in den USA, die Einsatzdauer auf bis zu 60 Jahre zu verlängern
       und in zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen zu investieren, was die
       Strahlenschutzbehörde aufgrund der AKW-Stresstests auch empfohlen hatte.
       
       ## Sofortige Stillegung statt Reparatur
       
       Der atomkritische Verband "Sortir du Nucléaire" fordert dagegen, nicht noch
       weitere Milliarden in die Reparatur der überalterten Reaktoren zu stecken.
       Besser seien eine sofortige Stilllegung und ein Übergang zu anderen
       Energieträgern. Das würde zudem Hunderttausende von Arbeitsplätzen
       schaffen.
       
       Der Bericht platzt in einen Wahlkampf, in dem die Atomenergie ein zentrales
       Thema ist. Präsident Nicolas Sarkozy will den Ausbau der Kernenergie und
       die Weiterentwicklung des EPR - was dem Rechnungshof zu teuer erscheint.
       
       Der Sozialist François Hollande möchte den Anteil des Atomstroms bis 2025
       auf 50 Prozent reduzieren, was zwar eine Lebensverlängerung für bestehende
       Reaktoren bedeuten würde, aber auch eine sukzessive Umstellung auf andere
       Energiequellen. Die Grünen fordern einen Ausstieg mit konkretem Enddatum.
       
       1 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
       
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