# taz.de -- Erkundungen in Birmas Hauptstadt: Die weißen Elefanten des Generals
       
       > Naypyidaw – Sitz der Könige – ist die neue Hauptstadt Birmas. Vor wenigen
       > Jahren wurde sie von der Militärdiktatur auf dem Reißbrett entworfen.
       
 (IMG) Bild: Die Bevölkerung bleibt draußen, die Straßen sind leer. Naypyidaw, Birmas neue Hauptstadt, ist eine Geisterstadt.
       
       NAYPYIDAW taz | Bald ist es neun Uhr, Nebelschwaden hängen über dem Boden.
       Wir befinden uns auf den Rücksitzen von zwei Motorradtaxis, weit und breit
       sind keine anderen Fahrzeuge zu sehen. Hin und wieder überholen uns
       Lastwagen. Die Straße ist hell erleuchtet, doch die Leere ist gespenstisch.
       Die gigantischen Bauten auf beiden Seiten der Straße wirken verlassen, eine
       Geisterstadt. Unsere Fahrer tragen schwere, wetterfeste Jacken.
       
       Die Hakenkreuzaufkleber auf ihren Helmen sind nicht zu übersehen. "Warum
       ein Hakenkreuz?" Der Fahrtwind verschluckt die Frage. Wir wiederholen die
       Frage und einer antwortet: "Fashion."
       
       Vor einer Stunde sind wir in Naypyidaw, Birmas neuer Hauptstadt,
       angekommen. Bis zum Jahr 2002 war die in Zentralbirma gelegene Stadt auf
       keiner Landkarte zu finden. Die Militärdiktatur hat sie am Reißbrett
       entworfen. Die Gründe für den Umzug sind vielfältig: Die Stadt liegt
       zentral, und die Generäle fühlen sich hier sicherer vor einer Invasion und
       dem eigenen Volk.
       
       Der Umzug aus der ehemaligen Hauptstadt Rangun begann im Jahr 2005,
       mittlerweile beherbergt Naypyidaw sowohl das Parlament als auch die
       Ministerien. "Was macht ihr hier?", fragt einer der beiden Taxifahrer
       neugierig. "Wir wollen die weißen Elefanten sehen", rufen wir ihnen durch
       den Fahrtwind zu. Sie tauschen einige Worte auf Birmanisch aus, lachen und
       fahren weiter nebeneinander her.
       
       ## Eine Militärdiktatur – auf dem Weg zur Demokratie?
       
       Im November 2010 fanden erstmals seit 20 Jahren Wahlen in Birma statt. Weil
       es dabei zu Wahlbetrug kam, wurden sie in den meisten westlichen Ländern
       als Farce gesehen. Die Partei des Militärs, United Solidarity and
       Development Party (USDP), hat die Mehrheit des im Januar 2011 einberufenen
       Parlaments gewonnen. Trotz des graduellen Wandels hin zur Demokratie, von
       dem man in Birma spricht, bleibt das Land eine Militärdiktatur.
       
       Die Regierung war extrem vorsichtig. Sie wollte zur Eröffnung des
       Parlaments keine Journalisten dabeihaben. Nur staatlichen Medien war es
       erlaubt, die Stadt zu betreten; und selbst diesen war es verboten, das
       Parlamentsgebäude zu betreten. Kollegen hatten uns gewarnt, nur ja nicht
       aufzufallen. Parlamentarier, die wir kontaktiert hatten, verweigerten uns
       ein Treffen, aus Angst um ihre und um unsere Sicherheit.
       
       ## Auf der Suche nach den weißen Elefanten
       
       In unserem Hotel in Rangun deutet der Hotelmanager auf den Fernseher. Es
       läuft MRTV, das Staatsfernsehen. "Seht ihr diese weißen Elefanten? Die
       bringen Glück! Jetzt sind sie im Zoo von Naypyidaw." Wir tauschen Blicke
       aus und wissen, nun haben wir einen Grund, doch nach Naypyidaw zu fahren.
       Wir wollen die weißen Elefanten finden, die General Than Shwe, der
       Vorsitzende der Militärregierung, hat fangen und als Glücksbringer nach
       Naypyidaw bringen lassen.
       
       Die weißen Elefanten sind weit weg, als wir mit Rucksack und Helm auf den
       unbequemen Rücksitzen der Motorräder sitzen. Wir suchen nach einer Bleibe
       für die Nacht. "Hotels sind sehr teuer, 70 bis 200 US-Dollar pro Nacht,"
       meint einer der Fahrer. Wir haben nicht so viel Geld. Der Fahrer
       verspricht, nach etwas Preiswertem zu suchen. In ganz Birma gibt es keinen
       einzigen Geldautomaten, alles Geld muss bar in US-Dollar eingeführt werden.
       Von Ausländern wird erwartet, dass sie Hotels und Bahntickets in Dollar
       bezahlen und nicht in der nationalen Währung Kyat.
       
       ## Die Reißbrettstadt als Geisterstadt
       
       Naypyidaw ist die teuerste Stadt in Birma. Bedenkt man das landesweite
       jährliche Durchschnittseinkommen von 200 US-Dollar, dann ist klar, dass
       diese Hauptstadt nicht für den Normalbürger gebaut wurde. Die hohen Preise
       sorgen dafür, dass die Armut vor den Stadttoren haltmacht. Zum Großteil
       leben hier Beamte, die in eigens für sie errichteten Anlagen wohnen.
       
       Baustellen prägen das Straßenbild. Immer wieder passieren wir Gruppen von
       erschöpften Arbeitern. Auf den Ladeflächen der Lastwagen sitzen sie, in
       Lumpen gekleidet, eng beieinander, sie wirken benommen. Wir gehen davon
       aus, dass es sich bei einem Großteil der Arbeit in Naypyidaw um
       Zwangsarbeit handelt. NGOs wie Human Rights Watch, Amnesty International
       oder Burma Campaign UK werfen dem Militär unter anderem vor, Menschen zur
       Zwangsarbeit zu missbrauchen.
       
       ## Ungeahnte Dimensionen
       
       Nach guten zwei Stunden auf dem Motorrad erreichen wir ein Hotel. Die lange
       Fahrt macht uns bewusst, in welchem Maßstab die Stadt angelegt wurde.
       Hotels und Ferienanlagen sind meist in kilometerweiter Entfernung
       voneinander errichtet. Dazwischen große Flächen, ungenutzt und unbewohnt;
       Brachland.
       
       Nach einer weiteren Stunde der Hotelsuche sind wir bereit, 40 US-Dollar für
       die Nacht zu bezahlen. Die Hotelzimmer sind luxuriös, weit über dem
       birmanischen Standard: Klimaanlage, Flachbildfernseher, selbst
       Satellitenfernsehen ist vorhanden.
       
       ## Die Elefanten rufen
       
       Nach einem schnellen Frühstück bestellen wir ein Taxi. Die weißen Elefanten
       rufen. Wir fahren zum Zoo. Das Tageslicht macht Naypyidaw nicht gerade
       glaubwürdiger. Nichts könnte den Eindruck von dieser Stadt besser
       beschreiben als die einsame Fahrt auf verlassenen 16-spurigen Straßen.
       
       Eine gute Stunde später erreichen wir den Zoo. Statuen von weißen Elefanten
       säumen den Springbrunnen im Eingangsportal. Eine Karte weist den Weg zum
       Elefantengehege. Als wir uns nähern, sehen wir vier Elefanten, doch keiner
       von ihnen ist weiß. Die Elefanten machen einen unterernährten Eindruck.
       
       Wir suchen weiter nach weißen Elefanten: Fast schon verzweifelt erforschen
       wir mit den Augen das Gelände. Nichts. Enttäuscht verlassen wir den Zoo.
       Der Taxifahrer fragt uns, ob es ein Problem gibt. Nachdem wir ihm unsere
       Geschichte erzählt haben, sagt er: "Ah, die weißen Elefanten. Die Leute
       erzählen sich, der General halte sie sich in seinem Garten."
       
       11 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) G. Laskhmibai
 (DIR) F. Sayid
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Aung San Suu Kyi
       
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