# taz.de -- Video der Woche: Einstürzende Niedlichbauten
       
       > Kann man Kohlekraftwerke lieben? Ja. Aber nur, wenn sie Augen haben und
       > so hinreißend animiert sind, wie in dem Viral-Spot eines englischen
       > Ökostromanbieters.
       
 (IMG) Bild: Es war einmal ein Schornstein, der lebte glücklich bis ans Ende seiner Tage. Was sehr bald der Fall war.
       
       Es ist ein schöner Tag in Grüne-Wiesen-Land. Die beiden Kohlekraftwerktürme
       sind gerade aufgewacht, lächeln freundlich in die Sonne und freuen sich auf
       ihren Frühstückstee. Doch was ist das? Auf einmal rumpelt und pumpelt es.
       Die Türme werden gesprengt, zu Klängen aus Mozarts "Hochzeit des Figaro"
       stürzt erst der linke, dann der rechte ins Verderben. Dramatische Szenen!
       
       Der Mensch hat viel Empathie zu vergeben. Was Augen hat, spricht fast jeden
       von uns an. Es gibt Blogs, die nichts anderes zeigen als [1][Dinge mit
       Gesicht], Alltagsgegenstände, die aussehen, als hätten sie Augennasemund.
       Und notfalls malt man halt Knopfaugen und Schnurrbärte auf Kühltürme und
       Schornsteine, schwupps, schon können wir sie liebhaben.
       
       Doch Mitleid ist nicht angebracht: "Dump the Big Six" lautet die Botschaft
       am Ende des Videos. Der Clip, der die digital verzierten Aufnahmen echter
       Sprengungen von Kraftwerken zeigt, ist Teil einer Viralkampagne des
       englischen Stromanbieters Ecotricity, der in besonderem Maße auf Strom aus
       Windkraftanlagen setzt. Inspiriert wurde er von einem animated gif: dem
       [2]["Sad chimney"], den Herman Bailey im Frühjahr 2011 auf der britischen
       Digital-Arts-Community-Seite [3][b3ta.com] einstellte.
       
       Mit den Big Six sind dabei weder die [4][großen Hollywoodstudios] noch die
       [5][Granden der US-Bürgerrechtsbewegung] gemeint, sondern die sechs
       Konzerne, die fast den gesamten britischen Strommarkt beherrschen: British
       Gas, EDF Energy, E.ON, Npower, Scottish & Southern und Scottish Power.
       Denen will Ecotricity ein Stück vom Kuchen abjagen und dabei gleich noch
       was Gutes für die Umwelt tun.
       
       Wobei Ecotricity selbst nicht auf Gas und Öl verzichten kann: ihr
       Ökostromanteil stieg 2010/2011 auf gerade mal 54,1 Prozent, als nächstes
       Ziel will man die 60 Prozent schaffen. Quoten wie bei deutschen Anbietern
       aus der Lichtblick-Liga sind das noch lange nicht, aber immerhin weit über
       dem britischen Ökostrom-Anteil von 7,9 Prozent.
       
       Nun kann man sich natürlich fragen, ob es nicht ein wenig bescheuertist,
       wenn ein Ökostromkonzern ausgerechnet Symbole der Kohlekraftära mit
       einfachsten Mitteln hinreißend animiert und so zu Sympathieträgern macht.
       Die übliche Antwort darauf: Nein. Denn wenn es hübsch aussieht, zum
       Nachdenken anregt und deswegen für ein, zwei Wochen zum Thema im Internet
       wird, hat man sein Ziel bereits erreicht. So läuft's nunmal, das
       Viralbusiness.
       
       17 Feb 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://dingemitgesicht.de/
 (DIR) [2] http://b3ta.com/board/10424732
 (DIR) [3] http://b3ta.com/
 (DIR) [4] http://en.wikipedia.org/wiki/Major_film_studio#Today.27s_Big_Six
 (DIR) [5] http://en.wikipedia.org/wiki/Big_Six_(civil_rights)
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Brake
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA