# taz.de -- Kommentar Gauck: Der falsche Kandidat
       
       > Joachim Gauck bleibt der, der er sowieso schon ist: der Falsche. Er kann
       > sich gar nicht neu erfinden, sonst verliert er seine Glaubwürdigkeit.
       
       Joachim Gaucks Kür zum Konsenskandidaten hat kräftig Schlagseite. Die ganz
       große Koalition in Politik und Medien, die den 72-Jährigen ins Amt tragen
       will, sie trügt. Denn Gauck ist nicht der Kandidat aller Herzen, wie von
       Bild bis Grünen-Spitze jetzt viele suggerieren. Im Gegenteil: Dieser
       Präsident wird das Land stärker spalten, als es die meisten seiner
       Vorgänger vermocht hätten.
       
       Gauck polarisiert - und das schon lange. Zu seinen Kritikern gehörten nach
       der Wende nicht nur DDR-Nostalgiker; auch Sozialdemokraten und
       Exbürgerrechtler haben sein Wirken als Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde
       mit gemischten Gefühlen verfolgt: Zu sehr gerierte Gauck sich als Ankläger
       missliebiger Gegner denn als Aufklärer in der Sache. Indem er Sarrazin als
       "mutig" bezeichnete, stieß er viele Einwanderer vor den Kopf. Und die
       paternalistische Art, mit der Gauck die engagierten Proteste von Bürgern
       mal als "albern", mal als "gefühlsduselig" abkanzelte, lässt daran
       zweifeln, dass Gauck ein Präsident aller sein kann, ja: sein will.
       
       Ob in Sachen Hartz IV, Afghanistankrieg oder Finanzkrise, ob im Streit über
       Atomkraft oder Stuttgart 21 - Gauck stand stets eher auf der Seite jener
       Politiker, die ihre "Wahrheiten" gegen andersdenkende Mehrheiten
       durchzusetzen suchten. Mit ihm zieht ein Mann ins Schloss Bellevue, dessen
       oberflächlicher Freiheitsbegriff dem der FDP weit nähersteht als dem Denken
       der beiden Parteien, die ihn schon 2010 auf den Schild gehoben haben. Für
       SPD und Grüne erweist sich die damalige Nominierung des Ostdeutschen als
       Pyrrhussieg - nun fällt ihnen das machtpolitische Kalkül, mit dem sie
       seinerzeit Kanzlerin Angela Merkel ärgern wollten, auf die Füße.
       
       Anders als es sein damaliger Konkurrent Christian Wulff nach der Wahl mit
       dem Thema Integration zumindest versucht hat, wird sich Gauck im Amt nicht
       völlig neu erfinden können. Dagegen sprechen sowohl sein hohes Alter als
       auch sein Selbstverständnis als "authentischer Anwalt der Bürger", mit dem
       er sich bisher gegen den Stand der Berufspolitikers definiert und seine
       Popularität begründet hat.
       
       Um seiner Glaubwürdigkeit willen kann Gauck in der neuen Rolle als
       Staatsoberhaupt weder plötzlich eine andere, ausgewogenere Agenda predigen
       noch völlig neue, versöhnende Ansichten vertreten. Joachim Gauck wird ganz
       derjenige bleiben, der er schon bisher gewesen ist: der falsche Kandidat.
       
       20 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Joachim Gauck
       
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