# taz.de -- Überleben auf der Straße: Wenig Hilfe in der Not
       
       > Immer mehr Menschen aus Osteuropa leben in Berlin als Obdachlose. Im
       > Gegensatz zu Deutschen fallen sie durch alle sozialen Netze.
       
 (IMG) Bild: Haben besonders mit dem Winter zu kämpfen: Obdachlose aus Osteuropa.
       
       "Im vergangenen Jahr haben wir erstmals mehr Menschen aus Osteuropa als aus
       Deutschland behandelt", sagt Thomas Gleißner von der Obdachlosenambulanz
       der Caritas am Zoo. Schon seit einigen Jahren fänden immer mehr
       osteuropäische Obdachlose den Weg nach Berlin. Warum, lasse sich "schwer
       sagen". Ein aktueller Aspekt sei sicherlich die seit dem Jahr 2011 geltende
       Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU.
       
       In die Obdachlosenambulanz kommen arbeitsuchende Menschen aus Osteuropa,
       aber auch solche, die in prekären Jobs arbeiten - etwa in der
       Gebäudereinigung oder saisonal auf dem Bau. Die renovierten Wohnungen, um
       anschließend von ihren Arbeitgebern schlecht oder gar nicht bezahlt zu
       werden. "Viele, die zu uns kommen, sind auf der Suche nach einem besseren
       Leben", sagt Gleißner.
       
       ## Polnisch für Mitarbeiter
       
       Es gibt viele Probleme, mit denen vor allem diese Gruppe der Obdachlosen
       sowie die Helfer zu kämpfen haben: In den Notübernachtungen berichten
       Mitarbeiter von Verständigungsschwierigkeiten. "Manchmal kann aus ganz
       kleinen Anlässen Streit entstehen, nur weil wir uns nicht verstehen
       können", berichtet etwa eine Helferin der Stadtmission in der Johanniter
       Straße in Kreuzberg, die seit einigen Jahren ebenfalls mehr Osteuropäer
       registriert. Um den Verständigungsproblemen entgegenzuwirken, habe es sogar
       einen Polnischkurs für interessierte Mitarbeiter gegeben.
       
       Die Situation osteuropäischer Obdachloser in Berlin unterscheide sich aber
       nicht nur unter dem Aspekt der Sprache von der Situation der deutschen,
       sagt Mittes Sozialstadtrat Stephan von Dassel (Grüne), der sich mit dem
       Phänomen beschäftigt. Auch die unterschiedliche sozialhilferechtliche
       Stellung sei problematisch: "Wir können sie nicht in die Wohnhilfe
       integrieren, weil sie keine Meldeadresse in Deutschland haben." Eigentlich
       seien die Bezirke verpflichtet, Obdachlose unterzubringen. Im Fall von
       Nichtdeutschen aber gebe es dazu keine sozialhilferechtliche Möglichkeit.
       Obdachlose aus Osteuropa seien deshalb noch mehr auf Notunterkünfte
       angewiesen als deutsche. Schon letzten Winter, als sich das Phänomen
       abzeichnete, sagt von Dassel, habe er deshalb mehr "unbürokratische
       Soforthilfe" für Obdachlose gefordert.
       
       ## Keine Abkommen
       
       In der Ambulanz am Zoo etwa erhalten Obdachlose ohne deutschen Pass diese
       Soforthilfe. "Die meisten Länder Osteuropas haben kein Fürsorgeabkommen mit
       Deutschland zur Refinanzierung von Sozialleistungen, in unserem Fall also
       der Krankenversorgung", sagt Thomas Gleißner. Weil die Ambulanz zunehmend
       Menschen nichtdeutscher Herkunft behandle, habe die Senatsverwaltung für
       Soziales der Einrichtung im vergangenen Jahr die jährliche Förderung von
       100.000 Euro aus "rechtlichen Gründen" gestrichen (taz berichtete). 
       
       Dass es die notwendigen Fürsorgeabkommen mit osteuropäischen Staaten nicht
       gebe und die Sozialgesetzgebung eine Hilfe für Nichtdeutsche verbiete,
       seien Probleme, die rechtlich auf Bundesebene behoben werden müssten,
       findet Gleißner. Er fordert deswegen eine Bundesratsinitiative des Landes
       zur Änderung der Situation.
       
       21 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Moritz Wichmann
       
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