# taz.de -- Kommentar EU-Kanadischer Handelsstreit: Auf Teersand gebaut
       
       > Die deutsche Regierung hat der kanadischen Lobby nachgegeben. Die
       > ölhaltige Schlacke wird nicht verboten. Damit haben sie die
       > selbstgesteckten Klimaschutzziele verraten.
       
       Wieder einmal hat es die Bundesregierung versäumt, Verantwortung für die
       Umwelt zu übernehmen. Am Donnerstag haben EU-Experten über einen möglichen
       Import-Stopp für den ökologisch gefährlichen Teersand beraten – doch zu
       einer Entscheidung konnte sich die Runde nicht durchringen. Und das nicht
       zuletzt, weil Deutschland sich enthalten hat.
       
       Die EU-Kommission hatte ein Verbot der ölhaltigen Schlacke, die vor allem
       in Kanada gewonnen wird, vorgeschlagen. Völlig zu Recht: Nach einer Studie
       der Universität Stanford liegen die Treibhausgas-Emissionen von
       Teersand-Benzin um 23 Prozent höher. Zudem werden beim Abbau der Ölsande
       riesige Naturflächen zerstört. Trotzdem haben sich die EU-Mitgliedstaaten
       nicht für ein solches Verbot ausgesprochen.
       
       Die Vertreter der Bundesregierung haben sich – wie andere große europäische
       Länder – enthalten. Und damit wieder einmal gezeigt: Immer wenn es konkret
       wird mit dem Schutz von Umwelt und Klima, drücken sich die angebliche
       Klimakanzlerin und ihr Apparat. Dabei wäre eine Führungsrolle Deutschlands
       beim Klimaschutz dringend notwendig gewesen, weil das auch die übrigen
       Staaten von einem Import-Stopp überzeugen könnte. Denn Länder wie
       Frankreich und Großbritannien stehen unter dem Druck ihrer eigenen
       Ölindustrie - und waren deshalb sowieso schon wesentlich vorsichtiger in
       ihrer Haltung zum Ölsand.
       
       Doch Berlin hat der groß angelegten Lobbykampagne der kanadischen Regierung
       nachgegeben. Seit zwei Jahren schon versucht diese ein Import-Verbot zu
       verhindern. In der kanadischen Provinz Alberta wird besonders viel Öl aus
       Teersand gewonnen. Die Förderung hinterlässt dort mehrere Hundert
       Quadratkilometer große Brachflächen. Die Krebsrate der Bewohner steigt an.
       Aber Kanada preist den Treibstoff weiterhin als unbedenklich an.
       
       Gleichzeitig drohte die Regierung in Ottawa der EU mit Konsequenzen in der
       Welthandelsorganisation, sollte die Staatengemeinschaft den Teersand
       verbieten. Damit hatten die Lobbyisten nun offenbar Erfolg. Dass sich die
       EU-Politiker mit ihrer Zögerlichkeit nicht nur der Umweltzerstörung in
       Kanada schuldig machen, sondern gleichzeitig auch die selbst gesteckten
       Klimaschutzziele verraten, scheint sie nicht zu stören.
       
       Eigentlich will die EU die Emissionen von Treibstoff bis 2020 um sechs
       Prozent senken – ohne das Verbot wird das aber kaum möglich sein. Eine
       Chance bleibt indes: Weil sich bisher auch die Gegner des Importverbots
       nicht durchsetzen konnten, müssen nun die Umweltminister erneut über den
       Vorschlag der EU-Kommmission abstimmen. Bleibt zu hoffen, dass Berlin bis
       dahin kapiert, dass Klimaschutz eine Frage konkreter Taten ist – und nicht
       auf schöne Worte beschränkt bleiben darf.
       
       24 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ruth Reichstein
       
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