# taz.de -- Quote in Medienhäusern: Frau Kisch? Fehlanzeige!
       
       > Es gibt immer noch auffallend wenig Frauen in den Führungspositionen von
       > Medienhäusern. Eine Initiative sagt nun: "Es ist Zeit, etwas zu ändern".
       
 (IMG) Bild: Ein seltener Anblick in der Medienbranche: Geballte Frauenpower.
       
       Vor 13 Monaten, auf dem Höhepunkt der Gleichstellungsdebatte, hatten sie im
       Spiegel die "Machtfrage" gestellt. Und thematisiert, was längt überfällig
       war: die Rolle der Frau beim Spiegel - als Chefin. "Der Spiegel hat zwei
       Chefredakteure, einen stellvertretenden Chefredakteur, einen Textchef. Dann
       gibt es noch 28 männliche Ressortleiter. Und nur zwei Ressortleiterinnen.
       Zusammengezählt heißt das: 32 zu 2", schrieben Susanne Beyer und Claudia
       Voigt in eigener Sache.
       
       Gefordert wurde eine Frauenquote von 30 Prozent – in der Redaktion
       generell, gerade aber bei Leitungspositionen. Ein gutes Jahr später hat
       sich wenig getan, manche Spiegel-Frauen sehen sogar eine Entwicklung zum
       Schlechteren. Das Magazin taugt dabei als symptomatisches Beispiel für
       weite Teile des (Nachrichten-)Journalismus – vor allem bei den
       Tageszeitungen sieht es noch finsterer aus ([1][siehe Grafik]).
       
       Von den rund 21,5 Millionen täglich erscheinenden Zeitungsexemplaren
       stammen gerade einmal gut 500.000 aus Chefinnen-geführten Redaktionen. "Es
       ist Zeit, etwas zu ändern", heißt es deshalb in einem bislang von 350
       Journalistinnen unterschriebenen Brief, den Deutschlands IntendantInnen,
       VerlegerInnen und ChefredakteurInnen heute in ihrer Post finden: "Wir
       fordern, dass mindestens 30 Prozent der Führungspositionen in den
       Redaktionen im Laufe der nächsten fünf Jahre mit Frauen besetzt werden –
       und zwar auf allen Hierarchiestufen."
       
       Beim Spiegel gibt es heute zwar zwei Ressortleiter-Stellvertreterinnen
       mehr. Doch auch Männer wurden in die Führungseben nachrekrutiert – am
       Verhältnis andert sich, allen Zahlenspielchen zum Trotz, nichts. "Eine Frau
       in einer Führungsposition beim Spiegel ist immer noch ein Sonderfall, und
       Sonderfälle hat man nicht so gern", bilanziert eine Redakteurin. Dabei
       wollte das Magazin längst viel weiter sein. Unter Chefredakteur Stefan Aust
       (1994-2008) wurde ein Arbeitskreis Gleichstellung eingerichtet, bis 2010
       sollten mindestens 30 Prozent der Spiegel-Schreiber Redakteurinnen sein.
       
       ## Ziel verfehlt
       
       Doch bis heute wird das Ziel verfehlt, und unter Austs Nachfolgern brach im
       Streit über die Quote auch noch der Arbeitskreis auseinander – obwohl sich
       Georg Mascolo und Mathias Müller von Blumencron zu Frauenförderern
       erklärten. Am Ende ihres Textes forderten Beyer und Voigt: "Nun macht mal".
       Und die Chefs erklärten fromm: "Das werden wir tun, Spiegel-Männer und
       Spiegel-Frauen."
       
       Schon der Debattenbeitrag im nächsten Heft zeigte, wohin der Hase lief: "Es
       ist mutig und modern, im Jahr 2011 für eine Frauenquote in Deutschland zu
       sein. In etwa so mutig und modern wie ein Bekenntnis zu flächendeckender
       Kariesvorsorge oder Weltfrieden", lästerte da Spiegel-Wirtschaftschef
       Thomas Tuma. Und auch jetzt, sagen Spiegel-Frauen, sei das
       Selbstverständnis an der Redaktionsspitze mit "Wir haben nichts gegen gute
       Frauen und würden sie sofort einstellen – es gibt aber leider keine" ganz
       gut umschrieben.
       
       Ähnlich klingt es beim Handelsblatt: Von dessen Chefredakteur Gabor
       Steingart stammt die Einsicht, Frauen seien "nicht das Problem, sondern die
       Lösung"; der Ex-Spiegel-Mann will dem Wirtschaftsblatt eine Quote
       verordnen. Ein paar Resortleiterinnen und eine Chefreporterin gibt es
       schon; Frauen in der Chefredaktion seien "wünschenswert", sagt der
       stellvertretende Chefredakteur Peter Brors, und dass aber natürlich der
       Verleger mitentscheide. Allerdings: Auch die Ressortleitungen seien nicht
       so besetzt worden, "weil es Frauen waren, sondern weil es gepasst hat, und
       das freut uns natürlich", so Brors. Doch ganz generell stimme das schon:
       "Frauen tun der Wirtschaft gut - und damit auch dem Handelsblatt." 
       
       Beate Schneider, Journalistikprofessorin an der Hochschue für Musik,
       Theater und Medien in Hannover, verfolgt die Diskussion seit Jahrzehnten.
       Nachrichtenmedien, vor allem Zeitungen, seien "immer noch ein
       Männergeschäft und extrem unflexibel, gerade an der Spitze", sagt sie: "Da
       wird das Ritual vom ,rasenden Reporter' gepflegt, der immer im Dienst ist."
       Frauen liege dagegen mehr an einer ausgeglichenen Work-Life-Balance.
       
       Dass der Berufsnachwuchs im Journalismus mittlerweile zu zwei Dritteln
       weiblich ist, werde daran so schnell nichts ändern, fürchtet Schneider.
       Journalismus bleibe "ein Beruf, der sich vor allem aus sich selbst
       rekrutiert – und die Männer an der Spitze werden darauf achten, dort
       ihrerseits wieder Männer reinzuholen. Da muss mehr passieren." Deshalb
       unterstützt auch Schneider die Aktion "pro-quote" – "weil sie das Thema
       wieder auf die Tagesordnung setzt".
       
       27 Feb 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /fileadmin/static/pdf/2012-02-27_taz120227DeutschlandFrauenred_3sp_02.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Steffen Grimberg
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Presse
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Berliner Journalistenlegende: Rasender Reporter
       
       Egon Jacobsohn porträtierte das Zwanziger-Jahre-Berlin auch von unten, bis
       er vor den Nazis fliehen musste – vor 125 Jahren ist er in Berlin geboren.
       
 (DIR) Frauenquote bei der „Zeit“: Beste Zeiten für Frauen
       
       Giovanni di Lorenzo ist ein Frauenversteher. Er will alles tun, um die
       30-prozentige Quote in den Medien durchzusetzen – alles was in seiner Macht
       steht.
       
 (DIR) Frauenquote im Journalismus: Der "Spiegel" ist dagegen
       
       Der Journalismus fordert die Frauenquote, hinkt aber selbst hinterher,
       kritisiert der Chef der Journalisten-Gewerkschaft DJV. Unterdessen lehnt
       "Spiegel"-Chef Mascolo eine Frauenquote ab.
       
 (DIR) Kommentar Frauenquote: Frauen in die Redaktionsleitungen!
       
       Frauen bieten bessere Kommunikation und vielseitigere Sichtweisen. Und ja,
       es gibt tatsächlich auch Leserinnen, die als Zielgruppe ins Auge gefasst
       werden sollten.
       
 (DIR) Firmen-Ranking zur Frauenquote: Immer noch zu wenige Frauen
       
       Der Anteil von Frauen in Aufsichtsräten bleibt enttäuschend. Ein Ranking
       soll Druck auf Firmen ausüben, den Frauenanteil zu erhöhen.
       
 (DIR) Neue Wirtschaftsweise Claudia Buch: Die Weisen halten die Quote
       
       Die Nachfolgerin von Beatrice Weder di Mauro als Wirschaftsweise wird die
       Tübinger Wirtschaftsheoretikerin Claudia Buch. Ihr Forschungsschwerpunkt
       sind die Finanzmärkte.
       
 (DIR) Wirtschaftssenatorin im Interview: "Wir brauchen eine Leistungskultur"
       
       Die neue Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz, parteilos für die CDU
       im Senat, setzt auf Eigenverantwortung und Einsatzbereitschaft.
       
 (DIR) Viviane Reding über Frauenquote: "Warten allein reicht nicht"
       
       EU-Kommissionsvizechefin Viviane Reding über die Frauenquote in Topjobs,
       die Gefahr eines europäischen Flickenteppichs und die Gefahren des
       Nichtregulierens.