# taz.de -- Markus Schächter zum Abschied: Ein Mann des Apparats
       
       > Schächter, sagen sie beim ZDF, sei kein Mann für Konflikte. Nach zehn
       > Jahren an der Spitze tritt der ZDF-Intendant nun ab – ein Held wollte und
       > konnte er nie sein.
       
 (IMG) Bild: Markus Schächter geht. Auf eigenen Wunsch – und vor allem in eigener Regie.
       
       Wenn Markus Schächter den Raum betritt, ist das eine leise Angelegenheit,
       ein Händeschütteln, fertig. Große Aufschläge sind seine Sache nicht, auch
       nicht an diesem frühen Abend im Februar. Drei Ausschusssitzungen des
       ZDF-Fernsehrats hat er hintereinander absolviert, zwei stehen am nächsten
       Tag noch an, es werden seine letzten als ZDF-Intendant sein.
       
       Nach zehn Jahren an der Spitze der Mainzer Anstalt ist Schächter mit sich
       im Reinen, das hat er in allen Abschiedsinterviews so verkündet, das
       strahlt er auch jetzt aus. Selbst die Art, wie er sich kurzerhand der
       Krawatte entledigt, um das Gespräch fast schon informell weiterzuführen,
       unterstreicht das noch. Der mächtigste Mann des deutschen Fernsehens, so
       Schächters Botschaft, scheidet zufrieden, auf eigenen Wunsch – und vor
       allem in eigener Regie.
       
       Wobei „zufrieden“ keinesfalls selbstzufrieden bedeutet, Eitelkeit ist
       Schächters Sache nicht. Da ist bei seinem Nachfolger Thomas Bellut, der
       morgen endlich am Ziel seiner Träume ist und das Intendantenbüro auf dem
       Mainzer Lerchenberg bezieht, schon mehr zu holen.
       
       ## Die Machtfrage
       
       Schächters penible Sorge um den eigenen Abgang speist sich vielmehr aus der
       Art und Weise, wie er 2001 ins höchste Amt beim ZDF kam: Nach einer langen,
       peinlichen Schlacht der verkämpften Politik, die mehr KandidatInnen
       verbrannte als je zuvor. Dabei hatte der damalige ZDF-Programmdirektor
       seinen langsamen, aber stetigen Aufstieg durch die parteipolitisch
       verseuchten Machtkorridore des ZDF bislang ohne größere Blessuren und
       Verleugnungen absolviert. Dass Schächter nun am Ende der Machtspielchen als
       kleinster gemeinsamer Nenner gerufen wurde, weil sonst keiner mehr da war,
       bleibt bis heute sein Trauma; „Chaostage“ nennt die Zeit im Rückblick.
       
       Die Machtfrage hat sich in seinen zehn Jahren als Intendant immer wieder
       gestellt, auch jetzt noch, ganz zum Schluss.
       
       Da hat er das ZDF endlich aus der „babylonischen Gefangenschaft des
       Einkanalsenders“ geführt, gegen die Schächter jahrelang mit gut gespieltem
       alttestamentarischem Schmerz ankämpfte. Mit ZDFinfo, ZDFkultur und vor
       allem ZDFneo endlich die Programmfamilie hinbekommen. Doch kurz vor dem
       Abgang spuckt ihm zuerst die Gebührenkommission KEF in die Suppe und dann
       noch sein eigener ZDF-Verwaltungsratschef, der rheinland-pfälzische
       Ministerpräsident Kurt Beck (SPD). Die KEF monierte, das Zweite sei ihren
       Sparvorgaben nicht nachgekommen, und fordert nun, in den kommenden vier
       Jahren die Personalausgaben um 75 Millionen Euro zurückzufahren.
       
       ## Nähe zur Politik
       
       Der immer so überkorrekt wirkende Schächter – ein KEF-Trickser? „Das ist
       ein Hagelschlag, der uns hart getroffen hat – und das ärgert mich schon“,
       sagt der Nochintendant. „Unsere Gremien haben uns grünes Licht für drei
       Digitalkanäle gegeben, wir haben vorbildliche Freie-Mitarbeiter-Strukturen
       geschaffen, wir haben die Mediathek aufgebaut. Gleichzeitig haben wir mehr
       gespart, als vorgegeben war. Wir haben aber zu akzeptieren, was die KEF uns
       vorgibt. Wir werden es ohne betriebsbedingte Kündigungen bis 2016
       schaffen.“ Und wie ist das mit der Behauptung des NDR-Medienmagazins
       „Zapp“, nach der das ZDF früher wegen seiner Nähe zur Politik auch bei der
       KEF profitierte? Jedenfalls hat das ZDF prozentual mehr von
       Gebührensteigerungen abbekommen als die ARD. Schächter lehnt sich aber
       entspannt zurück und sagt, das sei „eine interessante Unterstellung des NDR
       gegenüber der KEF“.
       
       Den Ball weiterspielen beherrscht er wie kein Zweiter, dabei gibt er stets
       den verbindlich Vermittelnden. Auch was Kurt Becks Forderungen angeht, bei
       den gerade erst etablierten Digitalkanälen wieder zurückzustecken: Beck
       habe doch „damit einen Denkanstoß gegeben, keine dogmatische Vorgabe“, sagt
       Schächter also, sondern nur gesagt, das ZDF müsse „priorisieren und auch
       verzichten. Wir haben gesagt: Das haben wir ohnehin vor, aber wir machen
       Vorschläge, an welcher Stelle das erfolgen kann, und zwar so, dass der
       gesetzliche Auftrag erfüllt wird und die Qualität des Gesamtangebotes nicht
       leidet.“ Dissens? Höchstens ein bisschen. Wichtig sei doch, dass man sofort
       mit Beck ins Gespräch gekommen sei, schiebt Schächter nach.
       
       Dieses ins Gespräch kommen, im kleinen Kreis, sondieren, was möglich ist,
       und dies dann austarieren, das ist das System Schächter. Es hat über die
       zehn Jahre beim ZDF ganz gut funktioniert, alles in allem. Und doch
       versagt, bei der ganz großen Herausforderung. Als die Unionsmehrheit im
       ZDF-Verwaltungsrat 2009 mit Ansage den damaligen Chefredakteur Nikolaus
       Brender abschoss, war Schächter mit seinem Latein am Ende.
       
       Natürlich sieht er das anders, reagiert aber weder verärgert noch
       energisch: Er habe „das Thema öffentlich gemacht, um die Situation zu
       klären“, sagt er und schiebt nach, „jede Reaktion musste genau bedacht
       werden, ein Rücktritt hätte gar nichts gebracht. Das hätte wieder Chaostage
       des Lerchenberg bedeutet, und das auf höherem Niveau.“
       
       ## In den Kampf
       
       Schächter, sagen sie beim ZDF, sei kein Mann für Konflikte. Jedenfalls für
       keine, die sich nicht durch diskretes Taktieren lösen lassen. Bei denen man
       alles auf eine Karte setzt – und zur Not mit fliegenden Fahnen untergeht.
       Schächter ist eben ein Mann des ZDF, weniger herzlich bedeutet das auch:
       ein Mann des Apparats, dessen weiteres Funktionieren ihm über alles geht.
       Kleine Schnörkel sind an den Rändern erlaubt. Harte Bandagen dagegen
       schrecken ihn.
       
       Markus Schächter ist kein Held, er wollte und konnte wohl auch keiner sein.
       „Es gab damals in einem überschaubaren Zeitfenster Mehrheiten, die
       verführerisch waren“, sagt er jetzt verklausuliert. Das umschreibt die
       damalige Situation mehr, als dass es sie beschreibt – und stimmt nicht mal
       ganz. Im Verwaltungsrat, der nach monatelangen Vermittlungsversuchen einer
       Vertragsverlängerung des ZDF-Chefredakteurs nicht zustimmte und Brender so
       abschoss, hatte die Union eine Mehrheit. Auch im ZDF-Fernsehrat, der den
       Intendanten wählt. Doch diese zweite Mehrheit stand – wie der gesamte
       Fernsehrat – hinter Schächter.
       
       Keine schlechte Voraussetzung, um in den Kampf zu ziehen. Der Intendant
       selbst hätte zwar nicht das Bundesverfassungsgericht anrufen können, dass
       nun auf Antrag von Rheinland-Pfalz über mangelnde Staatsferne beim ZDF zu
       urteilen hat. Schächter hätte sich vielmehr auf einen langen, vielleicht
       auch wirkungslosen Weg durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit machen müssen.
       Erwogen hat er es - und als kontraproduktiv für das Funktionieren des ZDF
       fallen gelassen.
       
       Trotzdem hätte er so zum Helden wider Willen werden können, als Vorkämpfer
       für den parteifernen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Egal wie es
       ausgegangen wäre. Doch Schächter suchte seine Stunde der Bewährung weiter
       im Hinterzimmer, setze auf die Selbstheilungskräfte der Politik. Das schien
       zunächst sogar halbwegs gut zu gehen: Rheinland-Pfalz (SPD) und Hessen
       (CDU) tüftelten für die beiden Lager eine Kompromisslösung aus – ohne
       Brender, aber mit ein bisschen mehr Staatferne. Doch sie scheiterte am
       Widerstand anderer Unions-Ministerpräsidenten. Schächter verlor – und sagt
       jetzt knapp, „das war für mich schon schmerzhaft“.
       
       Egal wie es ausgegangen wäre. Doch Schächter suchte seine Stunde der
       Bewährung weiter im Hinterzimmer, setze auf die Selbstheilungskräfte der
       Politik. Das schien zunächst sogar halbwegs gut zu gehen: Rheinland-Pfalz
       (SPD) und Hessen (CDU) tüftelten für die beiden Lager eine Kompromisslösung
       aus – ohne Brender, aber mit ein bisschen mehr Staatferne. Doch sie
       scheiterte am Widerstand anderer Unions-Ministerpräsidenten. Schächter
       verlor – und sagt jetzt knapp, „das war für mich schon schmerzhaft“.
       
       Dafür hat er seine Nachfolge früh geregelt, sein Haus bestellt. Darin ist
       er sich treu geblieben, auch was die kleinen Schnörkel am Rande angeht: Die
       „Wetten, dass ..?“-Nachfolge bleibt natürlich nicht dem Nachfolger
       überlassen. Sondern klärte sich jetzt noch auf den allerletzten Metern des
       Intendanten Markus Schächter.
       
       13 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Steffen Grimberg
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Feministischer Kampftag
       
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