# taz.de -- Ingenieurin über Wasser und Toiletten: „Die Fliegen sind ein Problem“
       
       > Während mehr Menschen Zugang zu Trinkwasser haben, fehlen weiterhin
       > Toiletten. Ariane Krause von Ingenieure ohne Grenzen erklärt, was das für
       > Menschen in Tansania bedeutet.
       
 (IMG) Bild: Wirtschaftingenieurin Ariane Krause geht davon aus, dass es noch 30 Jahre dauern wird bis es in Tansania eine flächendeckende sanitäre Versorgung gibt.
       
       taz: Frau Krause, Sie bauen gerade ein Sanitärprojekt in Tansania auf. Was
       haben die Menschen dort von Konferenzen wie dem laufenden Weltwasserforum? 
       
       Ariane Krause: Zumindest was den Sanitärbereich angeht, sind wir trotz
       aller Konferenzen weit davon entfernt, dass alle Menschen Zugang zu
       angemessener Versorgung haben. Leider ist Entwicklungszusammenarbeit oft so
       gelagert, dass die Wirtschaft der Industrienationen quersubvenioniert wird.
       In Äthiopien wurden etwa von deutschen Ingenieuren Luxus-Toiletten, die Kot
       und Urin trennen, mit Materialien aus Deutschland gebaut. Aber die
       Äthiopier wurden weder beim Bau noch bei der Planung einbezogen, sodass die
       Toiletten nach Abzug der Ingenieure nicht mehr benutzt wurden.
       
       Laut UN hat sich die Zahl der Menschen ohne Zugang zu Trinkwasser seit 1990
       halbiert. Beim Zugang zu sanitären Anlagen sieht es schlechter aus. Was
       heißt das für die betroffenen Menschen? 
       
       Vom Gestank mal ganz abgesehen, hat die mangelnde sanitäre Versorgung hier
       in der Region Kagera auch direkt Einfluss auf Grund- und Oberflächenwasser.
       Die meisten Leute haben eine Latrinentoilette ohne Fundament, das die
       Exkremente verlässlich birgt. Schaut man auf den Kagera-Fluss, der die
       Region durchfließt, sieht man nur noch ein Drittel Wasserfläche, der Rest
       ist wegen Fäkalien und Abwässern komplett mit Algen bedeckt. Da die
       Menschen es als Trinkwasser nutzen müssen, gehen die Krankheitserreger
       direkt in die Nahrungskette ein. Ein weiteres Problem sind die Fliegen, die
       von den Latrinen aus in die Wassertanks fliegen.
       
       Das betrifft in Tansania laut UN knapp 92 Prozent der Bevölkerung. Was muss
       passieren? 
       
       Ein großes Hemmnis ist die Armut. Die Bauern hier in Kagera haben ein
       durchschnittliches Jahreseinkommen, das unter 400 US-Dollar liegt. Davon
       müssen sie ihre Familien ernähren und bestenfalls Schulgeld zahlen. Selbst
       wenn eine Toilette günstig ist, verzichten die Menschen am ehesten auf
       diese Investition. Deshalb müssen Konzepte her, bei denen die sanitäre
       Versorgung auch Geld für die Bevölkerung bringt.
       
       Diese Strategie verfolgen Sie auch mit dem Trockentoilettenprojekt in der
       Region Kagera. Was machen sie genau? 
       
       Uns war wichtig, dass wir nicht nur die sanitäre Situation verbessern,
       sondern auch die Lebensgrundlage der Menschen einbeziehen. Sie leben hier
       meist von Landwirtschaft. Deshalb ist für sie unser Konzept interessant, an
       die Toiletten einen Ofen anzuschließen und die Fäzes zu ökologischem Dünger
       zu verarbeiten. Durch Zugewinne auf ihren Feldern können sich die Bauern
       später selbst leisten, nachhaltige Toiletten-Anlagen zu bauen. Langfristig
       wollen wir ein Geschäftsmodell für die Farmer entwickeln: die Fäkalien
       werden im Dorf zentral an einer Stelle gesammelt, kompostiert und später
       als Dünger wieder ausgegeben.
       
       Wie arbeiten Sie konkret mit den Leuten vor Ort zusammen? 
       
       In dem wir an Wissen und Arbeitsmaterialien vor Ort anknüpfen. Wir arbeiten
       in Kagera mit dem ökologischen Bauernverband Mavuno-Project. Die Bauern
       dort wissen sehr viel über nachhaltiges Bodenmanagement. Wir bauen jetzt
       als Pilotprojekt eine Toilette, einen Ofen und eine Kompostanlage. Dabei
       werden zwei lokale Arbeitskräfte ausgebildet, die ab Mai die Wartung
       übernehmen und Fortbildungen für die lokale Bevölkerung anbieten. 
       
       Können sich die Tansanier also allein helfen? 
       
       Ja. Ich habe hier viel über Nährstoff- und Kohlenstoffkreisläufe gelernt.
       Und in Organisationen wie etwa Wepmo setzen Studienabsolventen des
       technischen Umweltschutzes schon seit Jahren selbst Konzepte für
       Trenntoiletten um. Auch an tansanischen Universitäten forschen Professoren
       zum Thema. Aber es braucht noch Öffentlichkeitsarbeit. Der Umgang mit
       Fäkalien ist eben nicht attraktiv.
       
       Ist ein Umschwung absehbar? 
       
       Ja. Es wird zwar noch 30 Jahre dauern, bis es hier eine flächendeckende
       sanitäre Versorgung geben wird. Aber wenn jetzt Bauern, Schüler, Lehrer,
       Studenten und Politiker das nötige Wissen erlangen, gibt es eine
       Perspektive.
       
       14 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karin Grass
       
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