# taz.de -- Ehrung für türkischen Ministerpräsidenten: „Ein türkischer Putin“
       
       > Am Samstag soll der türkische Ministerpräsident Erdogan in Bochum einen
       > Promi-Preis erhalten. Nicht alle finden das gut. Mehrere Verbände und
       > Politiker protestieren.
       
 (IMG) Bild: Hält jetzt wieder die Laudatio: Gerhard Schröder, hier 2004 bei der Verleihung des Quadriga-Preises an Erdogan.
       
       BERLIN taz | „Völlig daneben“ findet Ali Ertan Toprak, Vorsitzender der
       Alevitischen Gemeinde in Deutschland, dass der türkische Ministerpräsident
       Recep Tayyip Erdogan am Samstag in Bochum den Steiger Award verliehen
       bekommen soll. „Erdogan ist ein türkischer Putin, kein Demokrat“, sagt der
       Verbandschef. Jetzt, wo er in der Türkei die Macht in seinen Händen halte,
       zeige er „sein wahres Gesicht“.
       
       Die Laudatio auf Erdogan wird Exbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD)
       halten. Der Steiger Award ist ein Prominentenpreis, der seit 2005 jährlich
       vergeben wird. In der Vergangenheit wurden damit so unterschiedliche
       Personen wie Roman Herzog, Wolfgang Niedecken und Schimon Peres
       ausgezeichnet. Die Kategorien reichen von „Charity“ über „Europa“ bis zu
       „Musik“, die Kriterien für die Vergabe sind allerdings nebulös.
       
       Dieses Jahr sollen neben Erdogan auch die schwedische Königin Silvia,
       Exbundespräsident Horst Köhler, der US-Rockmusiker Lou Reed, der Modemacher
       Wolfgang Joop und der TV-Moderator Peter Kloeppel den Pokal erhalten: eine
       Kugel aus Bleiglas, die ein Stück Steinkohle umschließt und auf einem
       Sockel aus Kristallglas ruht. Doch je näher der Termin rückt, desto lauter
       wird der Protest. Zuerst meldete sich der Zentralrat der Armenier in
       Deutschland zu Wort, der eine Preisvergabe an Erdogan „unerträglich“
       nannte. Später schlossen sich assyrische und kurdische Verbände der Kritik
       an und kündigten Proteste vor der Jahrhunderthalle in Bochum an, in der am
       Samstag die Gala steigt. Die Polizei rechnet mit rund 2.000 Demonstranten.
       
       ## Von Europa längst abgewandt
       
       Memet Kilic, der integrationspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im
       Bundestag, versteht den Ärger: „Erdogan tritt die Pressefreiheit mit Füßen
       und behandelt religiöse Minderheiten als Bürger zweiter Klasse“, sagt der
       Politiker. Außerdem habe sich die Zahl der politischen Gefangenen in der
       Türkei in den letzten Jahren vervielfacht. „Kurios“ sei die Entscheidung,
       Erdogan in der Kategorie „Europa“ auszuzeichnen, denn von Europa habe sich
       der türkische Premier längst abgewandt – die anderen Preisträger sollten
       sich von ihm besser distanzieren, findet Kilic.
       
       Der Begriff „Steiger“ steht für eine Aufsichtsperson im Bergbau, und soll
       Tugenden wie Geradlinigkeit, Menschlichkeit und Toleranz symbolisieren.
       Initiiert hat den Preis der Bochumer Medienunternehmer Sascha Hellen, der
       bis heute bei dem Projekt alle Fäden in der Hand hält. Seine Hellen Medien
       Projekte GmbH begründete ihre Wahl anfänglich damit, dass die Türkei „eine
       Schlüsselrolle im Nahen Osten“ spiele und längst auch „ein wichtiger
       Partner Deutschlands und Europas“ sei.
       
       Inzwischen teilt die Organisation auf ihrer Preis-Website jedoch mit, die
       Auszeichnung stelle ausdrücklich „keine Bewertung der innen- und
       außenpolitischen Aktivitäten des türkischen Ministerpräsidenten“ dar.
       Vielmehr nehme ihn der türkische Regierungschef stellvertretend „als
       Zeichen für die deutsch-türkische Freundschaft“ in Empfang, die mit dem 50.
       Jahrestag des Anwerbeabkommens gerade ihr Jubiläum gefeiert habe. In
       Nordrhein-Westfalen leben 700.000 Menschen mit türkischen Wurzeln.
       
       „Eine kritische Auseinandersetzung gehört zu unserer politischen Kultur“,
       sagte Hellen zur taz. Die Galaveranstaltung sei ausverkauft, prominente
       Gäste wie der ehemalige Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD)
       würden weiterhin erwartet. Im letzten Jahr hatte Nordrhein-Westfalens
       Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ein Grußwort gesprochen. Doch sie
       wird an diesem Samstag in Berlin sein, um den neuen Bundespräsidenten zu
       wählen. Noch ist offen, ob sie sich in Bochum vertreten lässt.
       
       15 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
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