# taz.de -- Bayern deklassiert Hertha BSC: Berliner Fieberschübe
       
       > Nach dem 0:6 gegen spielerisch haushoch überlegene Bayern hat
       > Hertha-Coach Otto Rehhagel nichts weiter zu bieten als Durchhalteparolen.
       
 (IMG) Bild: Plötzliche Torinflation: In den letzten drei Spielen schoss Bayern 20 Tore. Diesmal schaute Hertha dabei zu.
       
       BERLIN taz | Franck Ribéry war es egal, dass sein Trainer eine wandelnde
       Virenschleuder war. Der Franzose ging trotz abwehrender Geste von Jupp
       Heynckes auf den grippekranken alten Mann zu, drückte ihm die Hand, ja, es
       kam sogar zu einer angedeuteten Umarmung.
       
       Arjen Robben und Thomas Müller, die beiden anderen Ausgewechselten, hatten
       Heynckes gemieden, schließlich wollen die Bayern ja auch im nächsten Spiel
       gegen Borussia Mönchengladbach am Mittwoch im DFB-Pokal weiter im Tor- und
       Siegesrausch schwelgen.
       
       Es sind Eishockey-Ergebnisse, die die Bayern im Moment produzieren: 7:0,
       7:1 und am Samstag ein 6:0 gegen eine schrecklich hilflose Hertha aus
       Berlin. Ribéry wollte vielleicht eine neue Handschlagaffäre vermeiden, wie
       sie nach dem 0:1 in Basel von den Medien beschworen worden war.
       
       Ribérys Verweigerung liegt gefühlt drei Monate zurück, real aber nur vier
       Wochen. „Es ist seitdem ein Ruck durch die Mannschaft gegangen“, sagte
       Bayern-Manager Christian Nerlinger. Er sehe eine „homogene Mannschaft“ und
       „fröhliche Entwicklungen“.
       
       ## Ribery können Viren nichts anhaben
       
       So fröhlich waren die Bayern im Berliner Olympiastadion, dass Toni Kroos
       und Ribéry einen Freistoß in der ersten Halbzeit beim Stand von 3:0 sogar
       per Sching-Schang-Schong ausschnapsten. Nerlinger sagte dazu: „Wenn die
       Stimmung gut ist, passiert so was schon mal.“ Und wenn es einmal so prima
       läuft, dann können einem ein paar Viren vom Trainer auch nichts anhaben.
       Trotzdem wird man jetzt genau beobachten müssen, ob Franck Ribéry, der
       superschnelle Flügelflitzer, eine Rotznase und Schüttelfrost bekommt oder
       nicht.
       
       Es wäre nur normal, wenn Otto Rehhagel nach diesem Debakel fiebrige Schübe
       bekommen würde. Seine Hertha war so sehr mit einer fußballerischen
       Demutsgeste beschäftigt, dass an Gegenwehr nicht zu denken war. Rehhagel
       hatte sich so etwas wie eine 4-1-4-1-Formation ausgedacht, aber seine
       Mittelfeldakteure störten die Bayern einfach nicht beim Spielaufbau.
       
       Er habe die Mannschaft so „gestellt, dass wir ein bisschen aus der
       Defensive spielen“, erläuterte Rehhagel sein Konzept nachher. Er habe
       Weisung gegeben, die Passgeber auf Ribéry und Arjen Robben „zuzustellen“.
       Aber: „Das hat nicht geklappt.“ Die Bayern konnten machen, was sie wollten.
       
       Ribéry verschliss im Spielverlauf gleich drei rechte Außenverteidiger.
       Zuerst musste Fanol Perdedaj ran, der von Rehhagel aus Gründen der
       leichteren Aussprache den Beinamen Paradise bekommen hat. Dann übernahm
       Christian Lell. Er gab in der zweiten Halbzeit die undankbare Aufgabe an
       Alfredo Morales weiter. Der verursachte mal eben zwei Elfmeter.
       
       ## Nachsichtig trotz Negativserie
       
       Steigt Hertha in dieser Form ab? „Wir sind ja noch nicht abgestiegen, die
       Chancen müssen wir bis zur letzten Minute nützen“, sagte Rehhagel, „solange
       alles möglich ist, muss gefightet werden.“ Was man halt so sagt, wenn
       rechnerisch noch alles möglich ist.
       
       Gegen die Bayern müsse man immer ein bisschen Glück haben, wenn etwas gehen
       soll, ein Pünktchen oder so, ließ der 73-Jährige durchblicken. Und
       außerdem. Die Bayern sind ja derzeit nicht nur mit Spielwitz gesegnet,
       sondern haben auch ganz andere Voraussetzungen als die Hertha: „Wir können
       nicht wie Uli Hoeneß in die Bank gehen zum Festgeldkonto, wir gehen in die
       Kreditabteilung.“
       
       Es war nicht mehr als ein müder Spruch eines Trainers, der als Retter nach
       Berlin gekommen ist, aber in den vier Spielen, die er als Cheftrainer an
       der Seitenlinie saß, dreimal verloren und nur einmal gewonnen hat.
       Torbilanz: 1:10. Trotz dieser Negativserie war das Berliner Publikum
       merkwürdig nachsichtig. Viele Fans verließen zwar schon eine Viertelstunde
       vor Ende in Scharen das Stadion, aber die Ostkurve rief mitnichten „Otto
       raus!“ oder buhte. Wie ist das zu deuten? Fatalismus, Paralyse, Ehrfurcht
       vor Otto, dem Europameister und Verdienstkreuzträger?
       
       Die Krisensitzung der Hertha fand am Sonntag ohne Rehhagel statt. Seine
       Assistenten, René Tretschok und Ante Covic sowie Manager Michael Preetz
       analysierten die Lage allein. Und Rehhagel? Der kalauerte derweil im
       Bundestag: „Denk ich an Bayern in der Nacht, bin ich um den Schlaf
       gebracht.“
       
       18 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Bundesligaspiel Berlin-Wolfsburg: Hertha scheitert an sich selbst
       
       Die Mannschaft erarbeitet sich gegen Wolfsburg hochkarätige Chancen,
       verliert aber am Ende 1:4 - und bleibt auf dem vorletzten Tabellenplatz
       
 (DIR) Krisenstimmung beim HSV: Magier ohne Zauberstab
       
       Schönwetterstürmer? Angreifer Mladen Petric trifft das leere Tor nicht.
       Damit verkörpert der kroatische Nationalspieler die sportliche Krise des
       Hamburger Sport Vereins.
       
 (DIR) Kolumne Pressschlag: Die Sechs muss es richten
       
       Keine Atempause, ständige Hatz nach dem Ball – aber eins bleibt beim Alten:
       Fußballspiele werden immer noch im defensiven Mittelfeld entschieden.
       
 (DIR) Dortmund auf dem Weg zur Meisterschaft: „Mehr dreckige Siege als schöne“
       
       Der knappe Sieg gegen Werder Bremen hilft Dortmund auf dem Weg zur
       Meisterschaft. Auch, wenn die Zahl der vergegebenen Chancen zu groß ist.
       
 (DIR) Fußball-Bundesliga: Bayerns 7er-Serie reißt
       
       „Nur“ 6:0 in Berlin, aber nicht minder souverän als in den Partien zuvor:
       Bayern München ist weiter in Torlaune, aber auch Tabellenführer Dortmund
       siegt. Beim HSV hingegen ist's düster.
       
 (DIR) Auslosung Europa und Champions League: Jetzt wird's hart
       
       Hannover 96 und Schalke 04 treten im Viertelfinale der Europa League gegen
       Mannschaften aus Spanien an. Bayern trifft in der Champions League auf
       Olympique Marseille.
       
 (DIR) Bayern-Präsident schwört Trainer die Treue: Ein nervöser Kulturpessimist
       
       Vor dem kniffligen Spiel gegen Basel leistet Bayern-Präsident Uli Hoeneß
       einen Treueschwur auf Jupp Heynckes. Der wiederum greift die
       Mediengesellschaft an.
       
 (DIR) Fußball-Bundesliga, 25. Spieltag: Sieben Tore, Bayern holt auf
       
       Eindrucksvoll meldet sich der FC Bayern München in der Bundesliga vor dem
       Champions-League-Spiel gegen Basel zurück. Dortmund und Gladbach lassen
       Punkte liegen, die Krise bei Hertha hält an.