# taz.de -- Tischtennisprofi Boll über die WM: „Jeder muss über sich hinauswachsen“
       
       > Der Ausnahmekönner Timo Boll erklärt, warum das deutsche Team bei der
       > Tischtennis-WM in Dortmund schwer zu bezwingen sein wird und wie man
       > China ins Wanken bringt.
       
 (IMG) Bild: Boll mit Ball.
       
       taz: Herr Boll, am 1. April wird Deutschland Weltmeister. Ein ganz dummer
       April-Scherz? 
       
       Timo Boll (lacht): Wenn man es liest, würde man es erst einmal nicht
       glauben! Die Chinesen sind als Mannschaft eine Macht, wir wollen aber nicht
       schon vorher aufgeben.
       
       Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass man China bezwingt? 
       
       Wir konzentrieren uns nicht auf China. Wir müssen erst einen schweren Weg
       gehen und die anderen Kontrahenten bezwingen, um ins Finale zu gelangen.
       Sollte es dann in Dortmund wieder zum Endspiel gegen die Chinesen kommen,
       freuen wir uns darüber und werden alles probieren. Im letzten Finale vor
       zwei Jahren in Moskau verkauften wir uns beim 1:3 ganz gut und spürten,
       dass etwas möglich ist, wenn sie unter Druck stehen. Die Chinesen werden
       auch nervös.
       
       Südkorea und Japan erwarten die Experten im Halbfinale. 
       
       Das sind sicher die härtesten Konkurrenten. In den letzten Jahren kämpften
       wir gegen Südkorea und Japan um die Plätze hinter China, das ist kein
       Selbstläufer. Wenn wir gut spielen, konnten wir die aber immer schlagen –
       und meine Mannschaftskameraden sind auch bereits alle gut drauf.
       
       Ohne einen fitten Timo Boll und zwei Siege von Ihnen dürfte die
       Titel-Wahrscheinlichkeit aber gegen null tendieren. 
       
       Ich finde meine Form noch bis zum ersten Match in Dortmund. Es hilft jedoch
       nicht nur ein überragender Timo Boll, da muss jeder im Team über sich
       hinauswachsen! Wir brauchen drei und nicht nur zwei Punkte.
       
       Warum sind Sie auf Formsuche? 
       
       Im WM-Jahr und vor Olympia ist natürlich jeder hoch motiviert. Entsprechend
       ging ich im Training zu Werke – und man schießt leider leicht übers Ziel
       hinaus. Meine Schulter ist gereizt durch die vielen tausend
       Vorhand-Topspins. Ich werde aber medizinisch gut betreut und hoffe, dass
       ich nicht nur körperlich fit in die WM gehe, sondern auch in besonderer
       Form bin.
       
       Dass Sie in der Weltrangliste vom Stammplatz in den Top vier auf Platz
       sechs abrutschten, gibt keinen Anlass zur Sorge? 
       
       Nein. Wir planten eh, dass ich weniger spiele und mich auf die Höhepunkte
       konzentriere. Die Koreaner spielten dagegen viel, jedes Turnier – die sind
       hoffentlich bei der WM dann ausgebrannt. Ich sehe Platz sechs nicht als
       Drama, für mich geht es nicht vorrangig darum, in der Weltrangliste ganz
       oben zu stehen. Die Turniere sind wichtiger, das praktizierte ich auch
       schon vor der letzten Einzel-WM so und war erfolgreich damit.
       
       Rührt Ihre Schulterverletzung womöglich von dem Signier-Marathon Ihrer
       Biografie „Timo Boll: Mein China“ her? Die schaffte es sicher auch deshalb
       kurzzeitig in die „Spiegel“-Bestsellerliste, weil Sie in alle 10.000
       Exemplare der Erstauflage ein Autogramm geschrieben haben! 
       
       Ja, das war schon eine Heidenarbeit. Die zweite Auflage wird aber bestimmt
       nicht mehr handsigniert (lacht)! Jedenfalls dementiere ich hiermit, dass
       die Verletzung vom Schreiben der Autogramme herrührt!
       
       Dimitrij Ovtcharov rückte auf Platz zehn der Weltrangliste vor. Kann er
       denn auch einen Chinesen oder zumindest Südkoreaner als schärfsten Rivalen
       bezwingen? 
       
       Auf jeden Fall, das hat „Dima“ schon gezeigt. Wenn er gut drauf ist, kann
       er mit seinem sehr speziellen Stil selbst die besten Leute schlagen.
       
       Bastian Steger besiegte Ovtcharov bei der deutschen Meisterschaft knapp.
       Sind der Saarbrücker und Ihre Düsseldorfer Vereinskameraden Patrick Baum
       und Christian Süß leistungsmäßig nah genug dran für eine Sensation gegen
       das übermächtige Reich der Mitte? 
       
       Ah, für jeden von uns ist es schwer. „Dima“ oder ich müssen eben einen
       Punkt vorlegen, damit die Chinesen ins Wackeln kommen. Danach gebe ich
       jedem von uns eine Chance. Wir haben eine super Truppe, vielleicht die
       beste Nationalmannschaft, die wir je hatten. Solch eine Leistungsdichte
       besaßen wir noch nie. Deshalb ist Deutschland schwer zu schlagen.
       
       Mit Dortmund verknüpft jeder Tischtennis-Fan eines: den WM-Sieg von
       Bundestrainer Jörg Roßkopf mit Steffen Fetzner im Doppel 1989. Setzt
       Roßkopf das als Motivation ein für seine Schützlinge? 
       
       (Schmunzelt): Joooo.
       
       Er erzählt also jeden Tag davon? 
       
       Nee, das nicht. Jörg ist kein Prahlhans, der uns dauernd seinen Erfolg
       unter die Nase reibt. Es war aber damals eine Riesengeschichte fürs
       Tischtennis, dass die beiden quasi als Nobodys Weltmeister wurden – und
       wenn wir in Dortmund am 1. April auch gewännen, wäre die Sensation genauso
       groß wie 1989.
       
       23 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hartmut Metz
       
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