# taz.de -- Gesetzliche Zivilklausel: Die Farben des Friedens
       
       > Rot-Grün lehnt ab, Hochschulen auf rüstungsferne Forschung zu
       > verpflichten - bevor es die Grünen ausdiskutiert haben und strikt gegen
       > SPD-Parteitagsbeschluss.
       
 (IMG) Bild: Eine Zeit voller Überraschungen für FriedensaktivistInnen: Der Akademische Senat der Uni Bremen erweiterte im Januar die Zivilklausel - SPD und Grüne stimmten im März in der Bürgerschaft dagegen, sie ins Hochschulgesetz aufzunehmen.
       
       Die Debatte um eine Zivilklausel im Bremischen Hochschulgesetz ist nicht
       beendet: Zwar hatte am Mittwoch das Bürgerschaftsplenum einen
       entsprechenden Antrag von Die Linke glatt abgelehnt, sowohl Grüne als auch
       SPD stimmten geschlossen dagegen. Aber das sorgt jetzt in den Parteien erst
       recht für Diskussionen. Denn deren Willen blieb von den Abgeordneten
       unberücksichtigt.
       
       Zumal die SPD-Fraktion bewegt sich im Widerspruch zu ihrer Basis: „Die
       Hochschulen wirken für eine friedliche und zivile
       Gesellschaftsentwicklung“, sollte künftig nach dem Willen des
       Landesparteitag im Hochschulgesetz stehen. Und „die ihnen zur Verfügung
       stehenden finanziellen Mittel“ – zum Großteil Steuergelder – „dürfen
       ausschließlich für Vorhaben verwendet werden, die friedlichen Zwecken
       dienen“, auch das ist Beschlusslage des höchsten Bremer SPD-Gremiums
       gewesen. Wörtlich dasselbe hatte die Linksfraktion beantragt. Trotzdem
       lehnte die SPD ihn ab.
       
       Die früher friedensbewegten Grünen wiederum hatte das Thema überhaupt noch
       nicht erreicht: Zwar hatte sich die Fraktion noch kurz vor der
       Landesmitgliederversammlung Anfang März gegen den verordneten
       Akademiker-Pazifismus positioniert. Die Grüne Jugend hatte sich davon
       öffentlich distanziert. Doch auf der Versammlung war das kein Thema.
       Stattdessen lauschte man Europapolitikerin Rebecca Harms. Die ließ mit
       Erinnerungen an ihre Japanreise das Bremer Parteivolk noch einmal teilhaben
       am identitätsstiftenden Fukushima-Effekt. Beschlossen wurde, „den
       Atomausstieg europaweit voranzubringen“. Kontrovers war das nicht.
       
       Die Debatte sei nur vertagt, versichert Partei-Chefin Henrike Müller, „die
       Meinungsbildung findet noch statt“. Änderungen des Hochschulgesetzes stehen
       im Spätsommer an.
       
       Zuvor will man in den Kreisverbänden fürs Problem sensibilisieren – um bei
       der nächsten LMV die Debatte ernsthaft führen zu können. Tatsächlich geht
       in der Frage der Riss quer durch die Partei – schon in der Spitze: Müller
       befürwortet eine gesetzliche Zivilklausel. Hermann Kuhn, neben ihr Sprecher
       des Landesvorstands, hatte bereits Verständnis für die Interessen des
       Satelliten-Konzerns OHB signalisiert, als der sein Angebot, eine
       Stiftungsprofessur zu finanzieren, davon abhängig machte, dass die Uni ihre
       traditionelle Zivilklausel abschafft (taz berichtete).
       
       An der Uni hatten sich am Ende die Zivilklausel-Anhänger durchgesetzt.
       „Aber das kann jedes Mal anders ausgehen“, warnt Asta-Mitarbeiter Max
       Forster. Der wirtschaftliche Druck auf die Hochschulen sei schließlich
       immens. Forster gehört zu den Campus Grün Aktiven – die vom Verhalten der
       Fraktion bitter enttäuscht sind.
       
       Dass die finanzielle Versuchung für die Wissenschaftseinrichtung groß ist,
       lässt sich gut an der Hochschule beobachten: Die hat für den
       Rüstungskonzern Rheinmetall Defence an Drohnen geforscht, ein Projekt, das
       obendrein vom klammen Bremen mit 1,6 Millionen Euro subventioniert wurde
       (taz berichtete). In der Bürgerschaftsdebatte bestimmte die grüne
       Wissenschaftspolitikerin Silvia Schön die Annahme, der Rüstungskonzern
       verfolge mit dieser Kooperation Rüstungsinteressen, als reine „Mutmaßung“.
       Dagegen betonte Kristina Vogt (Linke), dass gerade ein friedlicher
       Charakter dieser Forschung hier „zu beweisen“ wäre. Denn Rheinmetall habe
       einen Rüstungsanteil von 100 Prozent selbst eingeräumt. Wenn das
       Unternehmen also Forschungsaufträge vergebe und Kooperationen mit
       Hochschulen anstrebe, liege nahe, „dass dort Forschung für Rüstung
       passiert“, so Vogt. Zudem handele es sich nach ihrer Einschätzung
       keineswegs um einen einmaligen Ausrutscher.
       
       So bezuschusse die Wirtschaftsförderung (WFB) auch Marissa, ein weiteres
       Programm eines von RDE angeführten Konsortiums. Bei dem geht es darum,
       Produkte „zur Abwehr von Eindringlingen“, afrikanischen Flüchtlingen etwa,
       zu entwickeln und zwar, laut WFB, „fallweise unter Einbindung der
       Hochschulen“. Dazu passt, dass die University of Applied Sciences ihre
       Erstsemester mit einer Broschüre begrüßt, in der auf Seite zwei, noch vor
       jedem eigenen Inhalt, RDE per Anzeige auf die tollen Karriere-Chancen in
       der Kriegsindustrie hinweist. Dass die Hochschule angeblich an einer
       eigenen Zivilklausel herumdoktert, stand der Akquise nicht im Wege.
       
       Trotzdem will die Grünenfraktion dem Blog ihres Vorsitzenden Matthias
       Güldner zufolge weiterhin auf freiwillige Selbstverpflichtung der
       Akademiker setzen. Alle Bremer Hochschulen würden derzeit die Frage
       diskutieren. Er wünsche sich, dass „am Ende gleiche oder ähnliche
       Ergebnisse herauskommen, wie an der Bremer Uni“. Dazu bedürfe es aber
       „keiner von oben aufgedrückten Direktive“.
       
       22 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Schirrmeister
       
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