# taz.de -- Streit der Woche: „Autofreie Städte! Wunderbar!“
       
       > Sollten Autos aus der Stadt verbannt werden? Fernsehköchin Sarah Wiener
       > ist dafür. Sie will zu Fuß auf der Straße laufen und dabei die Hände frei
       > haben.
       
 (IMG) Bild: Stau in Bangkok: Individualverkehr verstopft die Straßen.
       
       „Sicher müssen Autos raus aus der Stadt. Ich habe seit 33 Jahren keins
       mehr“, schreibt der Grünen-Abgeordnete Michael Cramer in der aktuellen
       Wochenendausgabe der taz. Cramer sitzt für die Grünen im Europaparlament
       und weist darauf hin, dass seine Partei schon 1984 die Idee der autofreien
       Städte propagiert habe.
       
       „Die Große Koalition wollte daraufhin den Autoanteil auf 20 Prozent
       senken.“ Und heute? Führe die autofixierte Stadtentwicklungspolitik ins
       Chaos. Bus und Bahn seien zu teuer, die Parkgebühren dafür zu billig.
       
       Eine Innenstadt ohne lautes Hupen, ohne Abgase, die stinken, und ohne den
       Machtkampf zwischen Auto- und Radfahrern? Dafür mit viel Platz für Kinder,
       Spaziergänger und Blumenbeete?
       
       Für die Sicherheit der Bürger wäre eine Einschränkung des Verkehrs wohl
       besser. Mehr als 3.500 Menschen sterben jährlich in Deutschland im
       Straßenverkehr, insgesamt gab es im Jahr 2010 knapp 2,5 Millionen Unfälle
       mit motorisierten Fahrzeugen, die volkswirtschaftlichen Kosten betragen
       laut der Bundesanstalt für Straßenwesen 31 Milliarden Euro.
       
       ## „Ich kann meinen Mann küssen, ohne ihm ins Lenkrad zu greifen“
       
       Also Kraftfahrzeuge verbannen – und alles wird gut? Nein, schreibt die
       Rennfahrerin Ellen Lohr. Allerdings nicht, weil sie mit ihrem Lamborghini
       unbedingt durch die Stadt rasen will. „Ich habe drei Kinder“, sagt sie.
       „Jeden, der von einer autofreien Stadt träumt, würde ich gern mit dem Maxi
       Cosi in der Hand zum Kinderarzt schicken, während zwei andere Kids
       rumnerven.“ Lohr hofft, dass die Zukunft uns eben nicht Ideen wie in London
       oder Turin beschert, wo die Innenstadt beispielsweise Maut kostet.
       
       Die österreichische Köchin und überzeugte Fußgängerin Sarah Wiener sieht
       das ganz anders. Sie schreibt: „Autofreie Städte! Wunderbar!“ Wiener
       glaubt, die Menschen würden so automatisch gesünder, agiler und
       bewegungsfreudiger. In Italien und Südfrankreich gebe es doch schon
       autofreie Dörfer und Kleinstädte.
       
       Die Erfahrung dort – wie auch in autofreien Stadtteilen in Münster oder
       Freiburg: Die Lebensqualität steige schlagartig. Wiener ist überzeugte
       Fußgängerin, das „Schlendern, Hüpfen, Eilen“, schreibt sie, sei ihre
       einzige Verschnaufpause in einem sonst durchgetakteten Tagesablauf. Und:
       „Ich kann meinen Mann küssen, ohne ihm ins Lenkrad zu greifen.“
       
       Die Fahrradkurierin Anja Rillcke aus Köln hält eine autofreie Stadt für
       keine so gute Idee. Dann wäre doch der alltägliche Machtkampf – Auto gegen
       Rad – vorbei. Außerdem diskutieren Mikael Colville-Andersen,
       Fahrrad-Blogger aus Kopenhagen, die FDP-Politikerin Petra Müller und die
       taz.de-Leserin Renate Kerntopp.
       
       24 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Emilia Smechowski
 (DIR) Emilia Smechowski
       
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 (DIR) Grüne Berlin
       
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