# taz.de -- Preisverdächtiger Krimi im ZDF: Die Mühen der Justiz
       
       > Mut zu Leerstellen, präzise Dialoge: Matti Geschonnecks „Das Ende einer
       > Nacht“ ist ein Gerichtsfilm, ein Film über das Duell zweier Juristinnen –
       > und den Fall Kachelmann.
       
 (IMG) Bild: Tatsächliche oder vermeintliche Vergewaltigung: Richterin und Verteidigerin stehen sich gegenüber
       
       Never change a winning team. Regisseur Matti Geschonneck und Drehbuchautor
       Magnus Vattrodt haben schon einen Film zusammen gemacht – gerade am Freitag
       wurde „Liebesjahre“ völlig zu Recht mit einem Grimme-Preis bedacht.
       Programmplanung ist natürlich eine längerfristige Sache, da der Preis aber
       nicht völlig überraschend kam, dürfte es kein bloßer Zufall sein, dass das
       ZDF nun ausgerechnet an diesem Montag (20.15 Uhr) schon den nächsten
       Geschonneck/Vattrodt-Film zeigt.
       
       „Liebesjahre“ war ein klassisches Kammerspiel, das Wiedersehen zweier lange
       geschiedener Eheleute in ihrem einstigen Landhausdomizil. „Das Ende einer
       Nacht“ nun ist ein Kammerspiel nur insofern, als es um einen Kriminalfall
       geht, über den eine Kammer des Landgerichts Düsseldorf zu entscheiden hat.
       Gleichwohl haben beide Filme dasselbe (Erfolgs-)Rezept: Mut zu Leerstellen,
       messerscharfe, geradezu spitzfindige Dialogzeilen, dargeboten von einem
       herausragenden Schauspielerensemble.
       
       „Ich mag meine Prozesse gerne kurz – im Sinne aller Beteiligten.“ / „Haben
       Sie gerade ,kurzer Prozess‘ gesagt, Frau Vorsitzende?“ – „Das Ende einer
       Nacht“ ist ein Gerichtsfilm, ein Film über das Duell zweier Juristinnen.
       Ein bisschen genreuntypisch stehen sich Richterin und Verteidigerin
       gegenüber. Ihr Fall ist eine tatsächliche oder eben nur vermeintliche
       Vergewaltigung: „Lamberg is ’n Schmierlappen, ’n Weiberheld. Das heißt noch
       lange nicht, dass er’s war.“ So bringt das der Chef der Verteidigerin sehr
       treffend auf den Punkt.
       
       Pate für jenen Lamberg stand ganz klar Jörg Kachelmann. Möchte man meinen.
       Doch soll der Film schon vor den Ereignissen um den gestürzten Wettermann
       geschrieben worden sein. In verdichteter Form bringt der Film die Fragen
       aus einer juristischen Parallelwelt aufs Tapet, die wegen der Prominenz des
       Angeklagten ein paar Monate lang eine breitere Öffentlichkeit beschäftigt
       haben. Es geht um Glaubwürdigkeit, um konsistentes oder auswendig gelerntes
       Aussageverhalten, um psychologische Gutachten, um Vernehmungstechnik,
       Rhetorik, Konfliktverteidigung. Es geht auch um Voreingenommenheit, um die
       Hybris sogenannter Opferanwälte, die dem gleichen vorverurteilenden Irrtum
       wie die Gerichtsreporterin Alice Schwarzer unterliegen. Denn im Kern dreht
       sich alles um genau die Frage: Wer ist hier Täter, wer Opfer?
       
       ## Preisverdächtig
       
       Vattrodts Buch ist nicht völlig frei von begrifflichen Unschärfen
       (Glaubhaftigkeit statt Glaubwürdigkeit, Klägerin statt Nebenklägerin), die
       aber nicht weiter ins Gewicht fallen – verglichen mit dem Fernsehstandard
       für Geschichten aus dem Gerichtssaal. Der jüngst auf Sat.1 zu sehende Film
       „Im Alleingang – Die Stunde der Krähen“ war nicht erst in den juristischen
       Details so hanebüchen wie die lustig gemeinte Serie „Edel & Starck“ aus dem
       gleichen Haus. (Bei „Liebling Kreuzberg“ war das noch ganz anders, lustig
       war‘s erst recht.)
       
       Wie gesagt, es ist ein Ensemblefilm. Christoph M. Ohrt hat den etwas
       aufschneiderischen Anwalt Felix Starck verkörpert, hier spielt er den
       tafferen Chef der Verteidigerin. Den Lamberg-Kachelmann gibt
       „Tatort“-Kommissar in spe Jörg Hartmann so linkisch-fies wie den Stasimann
       in „Weißensee“. Matthias Brandt spielt gekonnt maliziös den Mann an, nicht
       bedingungslos auf der Seite der Richterin – Barbara Auer als mit ihm, mit
       sich, mit ihrer Selbstgerechtigkeit Ringende. Den größten Eindruck
       hinterlässt Ina Weisse als Verteidigerin. Sie meistert die Herausforderung
       mit Bravour, eine Frau zu spielen, die selbst eine Rolle in einem Spiel
       spielt. Als sie ihm bei Prozessbeginn sehr nahe rückt, erklärt sie ihrem
       irritierten Mandanten: „Ich fasse Sie nur an, um der Kammer zu zeigen, dass
       es keinen Grund gibt, vor Ihnen Angst zu haben.“
       
       Die Grimme-Preis-Jury kann den Film schon mal für die nächste Preisrunde
       vormerken.
       
       „Das Ende einer Nacht“, Montag, 26. März, ZDF, 20:15 Uhr
       
       26 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jens Müller
       
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