# taz.de -- Kunstmesse im Emirat Dubai: Die andere Seite des Paradieses
       
       > Im Emirat Dubai trifft sich die Elite am Golf zum Luxus-Shopping. Die
       > Kunstmesse spiegelt auch die politischen Umbrüche einer Zukunftsregion.
       
 (IMG) Bild: Viele Händler spekulierten auf der Art Dubai auf den erwartbaren Geschmack der betuchten Kundschaft.
       
       Sandsäcke in einem Luxushotel. Auf den ersten Blick nahm sich der braune
       Bunker im Madinat Jumeirah einigermaßen seltsam aus. Der indonesische
       Künstler Setu Legi hatte ein paar Dutzend von ihnen in dem sündhaft teuren
       Komplex am Strand von Dubai zu einer Art Bunker aufgeschichtet.
       
       Drei Tage bestaunten die Besucher der Art Dubai, die hier vergangene Woche
       Quartier genommen hatte, den düsteren Block. Mit Auftragsarbeiten wie
       diesen wollen Kunstmessen kritisches Bewusstsein demonstrieren und ihren
       Kommerzcharakter veredeln. Und ein sinnfälligeres Zeichen für die
       schizophrene Situation in der Golfregion, in der die junge Messe hier seit
       2007 alljährlich veranstaltet wird, hätte Legi kaum finden können: das
       Nebeneinander von Wohlstand und Krieg. Das Morden in Syrien beherrschte
       auch in Dubai die Schlagzeilen.
       
       Ästhetisch betrachtet war auch die sechste Ausgabe der Art Dubai keine
       Demonstration der Avantgarde. Großflächige Malerei und spektakuläre
       Skulptur beherrschten das Feld bei den 74 Galerien aus 32 Ländern. Viele
       Händler spekulierten auf den erwartbaren Geschmack der betuchten
       Kundschaft. Wie man an Heinz Macks polierter Goldskulptur „Sahara-Star“ von
       2010 sehen konnte.
       
       ## Betuchte Kundschaft
       
       Konzept- und Videokunst oder Installationen musste man mit der Lupe suchen.
       Dass ein Pionier der emiratischen Kunstszene wie der 1951 in Dubai geborene
       Hassan Sharif, ein Konstruktivist, der schon in den achtziger Jahren
       Fluxus-Performances in der Wüste veranstaltete, nur mit ein paar Werken und
       noch dazu von der New Yorker Galerie Alexander Gray vertreten wurde, war
       Indiz für den Geschmack des eleganten Businessadels, der die Hallen zur
       Eröffnung flutete.
       
       Das exklusive Ambiente überstrahlt die eigentliche Pionierleistung der
       Messe. Seit ihrer Gründung hat sie nicht nur der Stadt Dubai eine
       Kulturblüte beschert. „Sie können sich das nicht vorstellen. Vor sechs
       Jahren war hier nichts als Wüste“, schwärmte Andrée Sfeir-Semler, Inhaberin
       der gleichnamigen Galerie mit Sitz in Hamburg und Beirut über den Boom.
       Inzwischen gibt es rund 40 Galerien in der Stadt. Vor allem hat die Messe
       aber einen bislang peripheren Großraum ästhetisch erschlossen. Mit Galerien
       aus Peking, Casablanca, Jeddah, Neu-Delhi oder Teheran ist der bisher
       tonangebenden, transatlantischen Artconnection zwischen Basel und New York
       eine neue Konkurrenz erwachsen. Die zugleich als politpsychologisches
       Barometer einer Zukunftsregion fungiert. Über Dubai macht sich nicht nur
       die Kunstwelt auf den Weg nach Mittelost, Nordafrika und Südasien.
       
       Im letzten Jahr stand die Art Dubai ganz im Zeichen des Sturzes von Husni
       Mubarak. In diesem Jahr ließ sich der Umbruch in der Region eher zwischen
       den Zeilen herauslesen. Die unzähligen Plastiksoldaten, die der 1967
       geborene syrische Künstler Thaier Helal auf eine Leinwand gesetzt hatte,
       gehörten noch zu den drastischsten Verweisen auf die Realität außerhalb des
       Luxushotels. Oder die kriegerischen Szenen aus der Geschichte des Libanons,
       die der 1980 geborene Alfred Tarazi auf Banknoten seines Heimatlandes
       collagiert hatte. Bezeichnender Titel der Edition: „A Nation’s Inflation“.
       
       Da sind Drohnen und Jagdbomber, die die palästinensische Künstlerin Laila
       Shalwa in ihrer Bilderserie „Die andere Seite des Paradieses“ zwischen
       Vögeln umherfliegen lässt, oder Reaktorblöcke und Bomben, die die Iranerin
       Shiva Ahmadi in ihrer Miniaturmalerei versteckt hat, schon subtiler.
       Genauso wie die Szenen aus dem libanesischen Bürgerkrieg, die der 1979
       geborene Libanese Raed Yassin auf seine sieben chinesischen Porzellanvasen
       gesetzt hat.
       
       ## Schönheit und Schrecken
       
       Dass Schönheit und Schrecken unmerklich ineinanderfließen, ist in Europa
       ästhetisches Konzept, in der arabischen Welt gehört es zur
       Alltagserfahrung. Für seine Arbeit erhielt Yassin – als einer von fünf
       Künstlern – in diesem Jahr den Abraaj Capital Art Prize. Mit einer Million
       US-Dollar hat die Investmentfirma den 2008 gestifteten Preis der Art Dubai
       zu einem der höchstdotierten der Welt gemacht.
       
       Für viele Künstler ist die mittelöstliche Variante der Art Basel Miami
       Beach zu einer der wenigen Möglichkeiten geworden, eine relevantere
       Öffentlichkeit zu erreichen. Wie für Fadi Yazigi, den die Atassi-Galerie
       aus Damaskus präsentierte. Dass er eine Holzskulptur dem Komponisten
       al-Kashooh gewidmet hat, dessen Lieder die Aufständischen in Syrien singen,
       erfährt der Besucher erst auf Nachfrage. Dass das titellose Bild aus dem
       Jahr 2010, bei dem Yazigi Brot auf Leinwand platziert hat, etwas mit dem
       Leiden der Menschen in seiner Heimat zu tun hat, sieht er auf Anhieb. So
       bildet sich um den Nukleus eines Nobelkunstmarkts, der der erwachenden
       Bourgeoisie am Golf als Laufsteg dient, auch eine kritische Öffentlichkeit.
       Ein Prozess, der nicht ohne Rückschläge abgeht. 2011 musste der Jerusalemer
       Kurator Jack Persekian seinen Posten als Direktor der Biennale im
       benachbarten Schardscha aufgeben, weil eine Videoarbeit zu freizügig für
       das konservative Emirat war. In Dubai traf es nun Matthias Arndt.
       
       Der Berliner Galerist musste ein Bild seines Künstlers Khosrow Hassanzadeh
       abhängen, das den Imam Ali aufrief. Die Messeleitung wollte Dubais
       Herrscher, Scheich Mohammed bin Raschid al-Maktoum, wie die Mehrheit der
       Emiratis Sunnit, beim Eröffnungsrundgang den Anblick des schiitischen
       Märtyrers ersparen. Ähnlich erging es den Künstlerinnen Zakaria Ramhani und
       Shadi Zaqzouq, Marokkanerin die eine, Palästinenserin die andere. Beide
       hatten bis auf die Unterwäsche entkleidete Frauen auf ihren Bildern
       dargestellt.
       
       Weit ist also der Weg, bis auch am Golf die Kunst das Instrument der einen,
       unteilbaren Freiheit ist, als die sie zu Recht gepriesen wird. Zugleich
       demonstrierte der Vorfall aber auch genau die Eigenschaft, von der Negar
       Azimi von der Middle-East-Kunstzeitschrift Bidoun auf einer der Talkrunden
       der Art Dubai befürchtete, dass die Kunst sie längst an die
       Mainstream-Medien abgegeben habe: ihre visuelle Macht.
       
       27 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arend
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA