# taz.de -- Demonstration zum 1. Mai: Revoluzzer machen rüber
       
       > Autonome wollen am 1. Mai Kreuzberg verlassen und ins Regierungsviertel
       > ziehen, um zu demonstrieren. Grünen-Bürgermeister Franz Schulz lobt die
       > Idee.
       
 (IMG) Bild: Am 1. Mai sollen die Stühle dieses Jahr durchs Regierungsviertel fliegen.
       
       Die autonome Szene will dieses Jahr am 1. Mai Kreuzberg verlassen und ins
       Regierungsviertel ziehen. Ein Polizeisprecher bestätigte, dass am Dienstag
       die jährliche „Revolutionäre 1. Mai“-Demonstration, traditionell um 18 Uhr,
       von Kreuzberg zum Pariser Platz angemeldet wurde. Die Anmeldung werde nun
       geprüft.
       
       Wird die Strecke genehmigt, wäre das eine Premiere: Bis auf letztes Jahr,
       wo der Aufzug einen Schlenker nach Neukölln machte, zog das Bündnis bisher
       stets durch Kreuzberg. Jonas Schiesser, Sprecher des linksradikalen „1.
       Mai“-Bündnisses, begründet den Strategiewechsel mit den internationalen
       Krisenprotesten: „Wir wollen unsere Kritik am Kapitalismus und der
       herrschenden Kürzungspolitik ins Zentrum der Macht tragen.“ Die
       Demonstration verstehe sich als Teil der Aufstände in Griechenland oder
       Spanien, so Schiesser: „Als hierzulande größte linksradikale Demonstration
       wollen wir uns in die Protestchoreografie einreihen.“ Schiesser rechnet mit
       15.000 Teilnehmern. Das Bündnis aus diversen Antifa-Gruppen will sich Mitte
       Mai auch an Protesten in Frankfurt am Main beteiligen, wo Finanzinstitute
       blockiert werden sollen.
       
       Franz Schulz (Grüne), Bezirksbürgermeister in Friedrichshain-Kreuzberg,
       lobt die Idee als „prima“. „Ich habe mich schon seit Jahren gewundert,
       warum die nicht dorthin gehen, wo die Entscheidungen wirklich fallen.“ Nun
       hänge viel davon ab, ob die Polizei den Aufzug am 1. Mai auch tatsächlich
       bis Mitte ziehen lasse, so Schulz.
       
       Die Demo soll vom Lausitzer Platz über die Oranien- und Wilhelmstraße zum
       Pariser Platz führen, wo etwa die deutsche Vertretung der EU-Kommission
       liegt. Allerdings: Bereits 2009 war eine „1. Mai“-Demo durch die
       nahegelegene Friedrichstraße untersagt worden. Es bestünden „erhebliche
       Zweifel“, ob der Aufzug friedlich verlaufen werde und in der engen Straße
       der freie Einsatz von Polizeikräften möglich sei, bestätigte das Berliner
       Verwaltungsgericht damals ein Verbot der Versammlungsbehörde.
       Bündnissprecher Schiesser sagte, die Polizei sei gut beraten, „nicht gegen
       die Demo zu steuern“. Mögliche Ausschreitungen kommentierte er ausweichend:
       Der Widerstand werde sich „nicht aufspalten lassen“. Ziel sei eine
       „geordnete, kraftvolle Demo“. Aus der Verwaltung von Innensenator Frank
       Henkel (CDU) hieß es, für eine Einschätzung warte man die Prüfung der
       Versammlungsbehörde ab.
       
       Mit dem Fokus auf Krisenpolitik wollen die Autonomen auch ihre Demo öffnen:
       Kritiker wie Occupy seien herzlich eingeladen, so Schiesser. Dort ist man
       uneins über die Offerte. Aktivist Erich Stanke hält eine Beteiligung für
       „eher nicht denkbar“ – Occupy stehe für absolute Gewaltfreiheit. Die könne
       der Aufzug nicht gewährleisten. „Ich glaube nicht, dass man dieses Ideal
       riskieren sollte“, so Stanke. Mitstreiter Daniel Mützel hält es dagegen für
       möglich, dass sich Occupisten beteiligen. "Solchen Einladungen stehen wir
       erstmal offen gegenüber." Occupy selbst, so Mützel, plane am 1. Mai nur
       kleine, spontane Aktionen.
       
       Ein Comeback feiert die 13-Uhr-Demo der Maoisten in Kreuzberg. Sie war im
       letzten Jahr „mangels Unterstützung“ ausgefallen. Diesmal soll sie wieder
       vom Oranienplatz zum Görlitzer Bahnhof führen. Auch das Myfest wird es
       wieder geben, inzwischen zum zehnten Mal. Die Nachfrage für Standaufbauten
       sei rege, heißt es aus dem Bezirk. Alkohol und Glasflaschen dürfen auch
       diesmal nicht verkauft werden.
       
       Die rechtsextreme Szene mobilisiert am 1. Mai nicht nach Berlin.
       Entsprechende Anmeldungen liegen laut Polizei nicht vor. Berliner Neonazis
       dürften stattdessen an einem Aufmarsch am gleichen Tag im Brandenburger
       Wittstock teilnehmen.
       
       Der Berliner 1. Mai verlief in den letzten beiden Jahren eher friedlich.
       2009 flogen noch Brandsätze, 289 Personen wurden festgenommen und 273
       Polizisten verletzt. Im letzten Jahr gab es nur wenig Randale bei 161
       Festnahmen und 100 verletzten Beamten. Der damalige Innensenator Ehrhart
       Körting (SPD) zeigte sich darüber „hochzufrieden“.
       
       27 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
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