# taz.de -- Kolumne Pressschlag: Nie wieder Maschmeyer
       
       > Seit Winfried das Jugendteam auf Trab bringt, tangieren ihn die
       > Bundesliga und seine Ehe nur mehr peripher. Stattdessen überlegte er, den
       > Gegner vorab zu beobachten.
       
 (IMG) Bild: Taktikfuchs: Ralf Rangnick (rechts) im ZDF-Sportstudio mit Moderator Michael Steinbrecher.
       
       Als ihn sein Frau abends beim Fernsehen gefragt hatte, was er da eigentlich
       schon wieder zusammenkritzle, hatte Winfried einfach nicht geantwortet.
       Schon das war ungewöhnlich, ein Wagnis, das er früher nie eingegangen wäre.
       Und als sie nachgefragt hatte, ob er nun nicht nur senil, sondern auch noch
       taub geworden sei, hatte er sie mit einem so frechen Bubengrinsen
       angestrahlt, dass sie Unverständliches murmelnd aufgegeben hatte, eine
       billige Rache im Wechsel des Senders suchend.
       
       Sollte sie – was kümmert ihn das „Sportstudio“. Sein Leben war jetzt neu
       aufgestellt. Bevor er Trainer geworden war, hatte er seine leeren Stunden
       mit erotischen Tagträumen verbracht oder mit der Frage, wie man es in
       dieser Welt zu etwas bringen konnte, ohne den Maschmeyer zu geben.
       
       Winfried wusste: Er war kein außergewöhnlicher Mensch. Aber er wollte in
       seiner Zeit hienieden weder Betrüger sein noch Prostituierte. Die Anfrage,
       als Trainer einer Jugendmannschaft einzuspringen, war da gerade recht
       gekommen. Ein Mann von 46 Jahren ohne Perspektiven in Berufs- oder
       Privatleben hatte Winfried nun die Lust an der Taktik entdeckt. Sieben
       Feldspieler wollten erfolgversprechend über das Kleinfeld verteilt und
       verschoben werden.
       
       Und tatsächlich: Seit seine Mannschaft mit einer Viererkette spielte, seit
       er den Außenverteidigern das Stürmen ausdrücklich gestattet, die
       kopfballstarken, aber lahmen Innenverteidiger zur Absicherung hinten
       festgenagelt, aber bei Ecken nach vorne gepeitscht hatte, seit er die
       Mittelfeldfummler zum Rennen und die einzige Spitze zum Pressing gebracht
       hatte – da lief die Sache. Nicht immer, der Kader war der Kader und die
       Gegner die Gegner. Aber eine Verbesserung war unübersehbar.
       
       Winfried konnte nun nicht mehr zurück, er wollte weiter. Und so kritzelte
       er Abend für Abend Skizzen, die jede nur denkbare Spielsituation
       antizipieren sollten. Was sollte er da mit der Bundesliga? Ihm war nur
       wichtig, dass Dortmund Meister würde. Weil sonst das Gejammere wieder
       losginge, dass dem Meister der Herzen der Sieg von den dummen Bayern
       entrissen und so weiter. Dieses Genöle wollte Winfried sich gern ersparen.
       Dortmund – und fertig!
       
       ## Hertha war einfach irre
       
       Da kam das 4:4 des BVB gegen die Stuttgarter natürlich ungelegen, genau wie
       der Bayern-Arbeitssieg beim Club. Was die unteren Ränge anging, so liebte
       Winfried keine Wiederholungen. Lautern gut, aber Hertha war schon einmal
       mit ganz ansehnlichem Fußball abgestiegen. Das brauchte er nicht noch mal.
       
       Aber Hertha war einfach irre. Köln musste dafür unbedingt auf dem
       Relegationsplatz bleiben, fand Winfried. Poldi gegen Rösler, Köln gegen
       Düsseldorf – das wäre was Neues! Und Winfried war gerade sehr für Neues.
       
       Seine Frau stand ächzend auf und ging zu Bett. Winfried setzte sich vor den
       Rechner und ging auf Fussball.de. Zwar war gerade spielfrei, aber er wollte
       doch noch einmal die Tabellensituation seines Teams vor sich sehen. Jetzt
       war der Kopf frei, um sich auf das nächste Spiel mental einzustellen.
       Winfried kam der Gedanke, den Gegner vorab zu beobachten.
       
       Übertreib es nicht, sagte etwas in ihm. Sicherheitshalber checkte er aber
       trotzdem schon mal die Trainingszeiten. Als er am nächsten Morgen die kurze
       Notiz seiner Frau las, mit der sie ihm das Ende ihrer Ehe mitteilte, fragte
       er sich, warum er nicht schon viel früher auf die Idee mit dem Kiebitzen
       gekommen war.
       
       1 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ambros Waibel
       
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