# taz.de -- Wahlkampf in Serbien: Präsidialer Rückzug mit Kalkül
       
       > Staatschef Boris Tadic legt sein Amt nieder und ebnet den Weg zu
       > vorgezogenen Präsidentenwahlen. Er will wieder antreten. Kritiker werfen
       > ihm unfaires Verhalten vor.
       
 (IMG) Bild: Hat offenbar nicht nur Fans in Serbien: Wahlwerbung für Boris Tadic.
       
       BELGRAD taz | Es kommt endlich Schwung in den bisher langweiligen
       serbischen Wahlkampf: Am Mittwoch trat Staatspräsident Boris Tadic zehn
       Monate vor dem Ende seines Mandats zurück.
       
       Dies allerdings nur, damit rechtzeitig Präsidentschaftswahlen
       ausgeschrieben werden und gleichzeitig mit den Parlaments- und
       Kommunalwahlen am 6. Mai stattfinden können. „Noch heute und morgen bin ich
       Präsident“, sagte Tadic und teilte mit, dass er selbst – zum dritten Mal –
       in das Rennen um das Amt des Staatschefs gehen werde. An seinem Sieg habe
       er keine Zweifel.
       
       „Ich stehe für europäische Integration“, sagte Tadic und beteuerte, dass er
       das Kosovo „niemals anerkennen“ werde. Es ist dieselbe Botschaft wie vor
       vier Jahren, als er mit der Parole „Kosovo und Europa“ die Wahlen gewann.
       
       Seinen Rücktritt begründete er damit, dass es billiger sei, wenn alle
       Wahlen an einem Tag stattfinden, dass Serbien nicht das ganze Jahr mit
       getrennten Wahlkampagnen verlieren dürfe und man sich nach dem 6. Mai mit
       voller Kraft politischen und wirtschaftlichen Reformen widmen könne.
       Außerdem „wollen die Bürger“, dass alle Wahlen gleichzeitig stattfinden.
       
       Das sehen jedoch nicht nur Analytiker und die Opposition, sondern auch
       einige Koalitionspartner von Tadic anders. Es wäre nur fair gewesen, wenn
       Tadic nicht bis zum allerletzten Tag der gesetzlichen Frist mit seiner
       Entscheidung gewartet hätte, sagte Vlajko Senic, Abgeordneter der Vereinten
       Regionen Serbiens. Kritiker meinen, Tadic habe absichtlich so lange
       gezögert, um die Wahltaktik der politischen Konkurrenz
       durcheinanderzubringen, die sich nun kurzfristig auf Präsidentschaftswahlen
       einstellen müsse.
       
       Außerdem stehe Tadic’ Demokratische Partei (DS) schlecht in Umfragen da;
       der populäre DS- und Staatspräsident habe es sich durch den Rücktritt
       ermöglicht, aktiv am Wahlkampf teilzunehmen und seiner DS zum Sieg zu
       verhelfen. Das sei schlicht „Amtsmissbrauch“.
       
       ## Zweikampf zwischen Tadic und Nikolic
       
       Wie 2008 sind die Präsidentschaftswahlen auch jetzt wieder ein Zweikampf
       zwischen Tadic und Oppositionsführer Tomislav Nikolic. Nikolic ist
       Vorsitzender der Serbischen Fortschrittspartei (SNS), die in den Umfragen
       vor der DS liegt. Obwohl sich Nikolic auch für den Beitritt Serbiens zur EU
       einsetzt und die Parteiprogramme der DS und SNS kaum zu unterscheiden sind,
       belastet Nikolic sein Ruf aus den kriegerischen 1990er Jahren. Er war
       Vizepräsident der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei von
       Vojislav Seselj, der nach einem Kriegsverbrecherprozess vor dem UN-Tribunal
       im Gefängnis auf das Urteil wartet.
       
       Vor knapp vier Jahren trennte sich Nikolic von seinem Chef, spaltete die
       SRS, gründete eine eigene parlamentarische Fraktion und die SNS. Sein
       Wandel war komplett: Vom Kriegshetzer und Antieuropäer ist er zum
       Befürworter der europäischen Integration geworden, den europäische
       Volksparteien als Partner in Erwägung ziehen.
       
       Tadic geht mit seinem Rücktritt ein großes Risiko ein: 2008 unterlag er
       Nikolic mit 4 Prozentpunkten im ersten Wahlgang, siegte jedoch im zweiten
       Durchgang mit 107.312 Stimmen Vorsprung. Das war, bevor Nikolic
       „überzeugter Europäer“ wurde und Tadic als DS- und Staatspräsident die
       gesamte Staatsmacht an sich gerissen hatte. Er trägt jetzt die
       Hauptverantwortung für die soziale und wirtschaftliche Misere, für
       Korruption und fehlgeschlagene Privatisierungen.
       
       4 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andrej Ivanji
       
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