# taz.de -- Friedensplan Kofi Annans für Syrien: Der zweifelhafte Waffenstillstand
       
       > Die Rebellen erklären den Plan von Kofi Annan für gescheitert, Truppen
       > scheinen weiter mit Panzern präsent zu sein. Die Weltgemeinschaft steht
       > vor der Frage: Was kommt jetzt?
       
 (IMG) Bild: A Syrian refugee girl looks out from behind the fence at Yayladagi refugee camp in Hatay province near the Turkish-Syrian
       
       BERLIN taz | Panzer ziehen über die Hauptstraße des Damaszener Vorortes
       Duma, Soldaten spähen über den Lauf ihrer Gewehre auf die Häuser ringsum.
       So zeigt es ein Amateurvideo, das angeblich am Dienstagmorgen aufgenommen
       worden ist. „Wir haben die ganze Nacht bis zum frühen Morgen Schüsse und
       Explosionen gehört“, sagt Aktivist Abu Mohammed. „Sie haben mit
       Maschinengewehren und Panzern um sich gefeuert, einige Häuser sind zerstört
       worden.“
       
       Eigentlich sollte die Armee um sechs Uhr früh mit dem Abzug aus den Städten
       begonnen haben. So sieht es der Friedensplan des UN-Sondergesandten Kofi
       Annan vor. Doch bis zum Nachmittag gab es kaum Anzeichen dafür, dass
       Präsident Baschar al-Assad sich an diese Abmachungen halten wird.
       
       Sowohl das Regime in Damaskus als auch die Opposition hatten dem
       Sechs-Punkte-Plan zugestimmt. Der Zeitplan sieht vor, dass bis Donnerstag
       um sechs Uhr früh eine Waffenruhe in Kraft tritt, an die sich beide Seiten
       halten müssen.
       
       Syriens Regierung teilte mit, der Truppenabzug habe gemäß der
       Vereinbarungen begonnen. „Wir haben bereits Truppen und Armee-Einheiten aus
       mehreren syrischen Provinzen abgezogen“, sagte Außenminister Walid
       al-Muallem nach Gesprächen mit seinem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow
       in Moskau vor Journalisten. Nach Angaben der russischen Agentur Interfax
       habe Syrien auch Beweise für seine Behauptungen vorgelegt. Allerdings
       kritisierte Lawrow, Damaskus könne bei der Umsetzung des Friedensplans
       „aktiver und entschlossener“ vorgehen.
       
       Der Friedensplan gilt als Versuch der internationalen Gemeinschaft, den
       syrischen Konflikt in letzter Minute mit diplomatischen Mitteln zu lösen.
       Aktivisten in Syrien dagegen werten die Zusagen des Regimes als Manöver, um
       mehr Zeit für die Niederschlagung der Proteste zu gewinnen. In den
       vergangenen Tagen haben die Truppen ihre Angriffe noch einmal drastisch
       intensiviert. Allein am Montag sollen landesweit rund 100 Menschen getötet
       worden sein.
       
       ## Artillerie in Stellung gebracht
       
       Die USA veröffentlichten am Freitag Satellitenbilder, die zeigen, dass
       Syrien seine Artillerie rund um die Städte Homs und Sabadani in Stellung
       gebracht hat. Zudem sollen Truppen aus einigen Orten in andere verschoben
       worden sein. „Dies ist nicht die Verringerung der Sicherheitsoperationen
       der syrischen Regierung, die für das Gelingen von Annans Initiative nötig
       ist“, schrieb Robert Ford, der abgezogene US-Botschafter in Damaskus, auf
       seiner Facebook-Seite.
       
       Zwar scheinen die Angriffe in den Protesthochburgen am Dienstag etwas
       nachgelassen zu haben. Doch Aktivisten in verschiedenen Städten berichten,
       dass die Armee nach wie vor in den Wohngebieten präsent ist. „Die Panzer
       sind noch auf der Straße, sie haben sogar noch Verstärkung geschickt“, sagt
       Amer, ein Aktivist aus der ostsyrischen Stadt Deir al-Sor. Vor drei Tagen
       sei ein Team des regimetreuen Senders al-Dunia in die Stadt gekommen: „Sie
       filmten vier Panzer und etwa ein Dutzend Militärfahrzeuge, die das Zentrum
       verlassen. Doch als die Kameraleute weg waren, kehrten sie wieder an ihre
       Positionen zurück.“
       
       Doch auch die Rebellen kämpften weiter. In der vergangenen Woche hätten die
       Kämpfer der Freien Syrischen Armee (FSA) vier Offiziere in Deir al-Sor
       getötet. „Das ist die neue Strategie der FSA“, sagt Amer. „Sie vermeiden
       direkte Gefechte und versuchen stattdessen, höherrangige Militärs mit
       gezielten Anschlägen auszuschalten.“
       
       In mehreren Städten soll das Militär am Dienstag seine Offensive
       fortgesetzt haben. In Homs schoss die Armee nach Angaben von Aktivisten mit
       Raketen und Mörsern auf Wohnviertel. Um ein Dorf in der nördlichen Provinz
       Aleppo sollen sich Truppen gesammelt und das Feuer eröffnet haben. „Die
       Scharfschützen stehen nach wie vor auf den Dächern; die Stadt ist noch
       immer voller Artillerie“, sagt Manhal, ein Aktivist aus der Stadt Hama. Bis
       Montagnacht habe die Armee mehrere Wohnsiedlungen bombardiert; jetzt zögen
       die Truppen von Haus zu Haus, um wahllos Anwohner festzunehmen. „Der
       Friedensplan“, sagt Manhal, „ist schon jetzt gescheitert.“
       
       10 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabriela M. Keller
       
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