# taz.de -- Genossen machen die taz: „Der Zusammenhalt ist das Wichtigste“
       
       > 40 Jahre Widerstand haben nicht nur die Aktivistin Marianne Fritzen
       > verändert, sondern auch die Region: Das Wendland wurde zum regenerativen
       > Vorzeigeprojekt.
       
 (IMG) Bild: Im Wendland ist man nie allein. Das X ist immer auch noch dabei.
       
       taz: Marianne Fritzen, Sie sind nun seit fast 40 Jahren im Widerstand
       aktiv... 
       
       Marianne Fritzen: Seit 1973; das war die Zeit, als Atomkraftwerke an der
       Elbe geplant waren und dann 1977 die Benennung von Gorleben als Standort
       für ein nukleares Entsorgungszentrum erfolgte. Und sich daraufhin die
       Bürgerinitiative als Verein konzipierte.
       
       Hat es Spaß gemacht, diese lange Zeit aktiv zu sein? 
       
       Tja, die Frage ist, was Spaß macht. Es ist keine spaßige Angelegenheit,
       aktiv zu sein. Es muss aber sein! Wir haben viel erreicht in der Zeit, und
       für mich ist der bundesweite Zusammenhalt der Anti-AKW-Bewegung das
       Wichtigste. Ich könnte auch sagen der weltweite Zusammenhalt von Menschen,
       die sich einsetzen und die eine große Familie bilden.
       
       Fukushima hat das gezeigt. 
       
       In Deutschland wird von den Medien kleingeredet, dass es im Ausland
       überhaupt eine nennenswerte Anti-AKW-Bewegung gibt. Ich habe sowohl von
       Franzosen, von Engländern als auch von Japanern schon vor 1977 eine ganze
       Menge gelernt, wie man Widerstand machen kann.
       
       Die Bauern, die Bürgerinitiative, die „Zugereisten“ haben eine ganz andere
       Kultur in diesen Landkreis gebracht. 
       
       Ja, und das schwierigste in meiner Aufgabe war im ersten Jahr die
       Auseinandersetzung mit den lieben Freunden aus den Großstädten, weil sie in
       der Tat eine ganz andere Art hatten, sich zur Wehr zu setzen. Für mich galt
       vom ersten Tag an bis heute, auch um in der Bevölkerung das Anliegen
       klarzumachen, die Gewaltfreiheit. Und ich denke, das ist auch das, was uns
       über die Jahre hinweg gerettet hat: Dass man uns nicht kriminalisieren
       konnte. Aber wir haben natürlich auch von den Großstädtern viel gelernt.
       
       Es hat sich ja viel geändert, in der Einschätzung, was Gewalt ist und was
       nicht. Aber ein zentrales Motto ist geblieben: Es wird ein Lächeln sein,
       das sie besiegt. 
       
       Das ist der Slogan, der 1988 bei der Platzbesetzung kreiert wurde. Und
       schon 1979 war das Motto eigentlich 'Die Herren machen das selber, dass
       ihnen der arme mann feyndt wirdt'. Die Platzräumung 1980 hat gezeigt, dass
       die ganzen Strömungen, die in der Anti-AKW-Bewegung herrschen, von links
       nach rechts und so weiter, letztendlich zufrieden waren mit der Art, wie
       die Platzräumung vonstatten gegangen ist. Dass wir trotz der Platzräumung
       die eigentlichen Sieger waren. Wir waren gewaltfrei und das ist das, was
       uns stark gemacht hat.
       
       Im Wendland ist nicht nur gegen etwas gearbeitet worden, sondern auch für
       etwas: Windanlagen, Photovoltaikanlagen sind zu einer Zeit entstanden, als
       sich viele andere noch darüber totgelacht haben, dass dort der Wind zur
       Energieversorgung genutzt wird. 
       
       Die Alternativen sind schon sehr früh entwickelt worden. Vor der Räumung in
       Grohnde, in Loccum, haben wir die These erarbeitet, nicht nur gegen etwas
       zu sein. Die BI heisst nicht zufällig Bürgerinitative gegen, sondern
       Bürgerinitiative für den Umweltschutz. Wir haben schon 1977, als wir vom
       Grafen von Bernstorf verbrannte Waldflächen gepachtet haben,
       „Wiederaufforstung statt Wiederaufarbeitung“ umgesetzt.
       
       Die ersten Parzellen wurden für Biologischen Gartenbau vergeben, was auf
       dieser verbrannten Erde utopisch war. Aber der Gedanke war da! Wir wollten
       diesem ganzen Atomwahn etwas entgegensetzen. Wir haben von Anfang an
       Jungbauern gehabt, die umgestellt haben. Und die sind heute das ökologische
       Landbaugebiet. Wir haben im Kreistag den Beschluss durchgesetzt, den
       Landkreis zur 100-prozentigen regenerativen Region zu machen.
       
       Trotzdem strahlt das Zwischenlager immer noch stärker als die Polizei
       erlaubt. Werden Sie bei der Demonstration am 28. April wieder dabei sein? 
       
       Ja, selbstverständlich, solange mich meine Beine tragen, und ich nicht
       gerade erkältet bin, werde ich draußen sein. Das bin ich immer gewesen, und
       das werde ich wieder sein.
       
       Dies ist ein Text aus der Sonderausgabe „Genossen-taz“, die am 14. April
       erscheint. Die komplette Ausgabe bekommen Sie am Samstag an Ihrem Kiosk
       oder am [1][eKiosk] auf taz.de.
       
       13 Apr 2012
       
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